Die Deutsche Cthulhu-Con war wie üblich viel zu schnell vorbei. Leider konnte ich erst am Freitag anreisen, doch immerhin war ich nach einer ereignislosen Fahrt, während der ich mich mit dem aktuellen Wild-Cards-Hörbuch gut unterhielt, bereits am späten Nachmittag da. Wie erwartet, war es gar nicht so einfach, das Zimmer zu beziehen, denn erstmal mussten einige Leute begrüßt werden, die sich auf dem Hof aufhielten, als ich ankam. Da Rollenspieler nun mal sind, wie sie sind, mündete das natürlich sofort in ausschweifende Gespräche. Man sieht sich einfach viel zu selten.
Dieses Jahr hatte ich mich relativ spontan zur Con angemeldet und das große Glück noch einen Platz zu bekommen. Ich war total unvorbereitet, hatte ungewohnterweise keine Runde angemeldet, die ich leiten wollte, und mich auch nicht über das Online-System für irgendetwas als Spieler eingetragen. Zum Glück hatte ich mich mit Daniel von System Matters verabredet und wenigstens grobe Pläne geschmiedet.
Für den Abend fanden wir ein paar Leute, die mit uns Shadow of the Demon Lord ausprobieren wollten. Das Spiel ist toll. Stimmung und Welt erinnern stark an Warhammer Fantasy, was wohl auch von Robert Schwalb, dem Autoren, so beabsichtigt ist. Die Regeln verfolgen das Ziel, einen Einstieg zu erleichtern, aber trotzdem Optionen zu bieten. Das wird über ein hervorragendes Stufensystem gelöst. Zunächst erwürfelt man eine Figur der 0. Stufe. Alles ist kompletter Zufall (wenn man will). Man wählt nur die Rasse und wenig später hat man einen fertigen Charakter. Ich selbst war ein menschlicher Religionswissenschaftler. Man kann aber auch Goblins, Uhrwerkautomaten, Wechselbälger u. a. spielen. Steigt man in die erste Stufe auf (norm. erfolgt nach jedem Spielabend ein Stufenaufstieg), wählt man aus vier Charakterklassen eine aus: Magier. Schurke, Kämpfer und Kleriker. Ja, das kommt uns bekannt vor und das ist auch Absicht. Zu jeder Klasse gehören ein paar Punkte, die den Charakterbogen verändern. Grundattribute erhöhen sich, Fertigkeiten und Professionen kommen hinzu, evtl. auch Zaubersprüche. Die nächste Stufe wählt man unter anderen Charakterklassen aus - jede Kombination ist erlaubt. Je höher die Stufe, desto größer die Auswahl und natürlich können Klassen mehrfach gewählt werden, wenn auch nicht in jeder Stufe jede Klasse. Die jeweilige Auswahlliste ist also übersichtlich, bietet aber dennoch immer neue Optionen.
Das Regelsystem selbst ist genauso einfach: Ein paar Attribute und daraus abgeleitete Eigenschaften, eine oder mehrere Professionen und einige wenige andere Kleinigkeiten, mehr ist nicht nötig. Gewürfelt wird 1W20 + Bonus/Malus abhängig vom passenden Attribut + Situationsmodifikatoren wie Sonderfähigkeiten u. a. Gewürfelt wird normalerweise gegen Mindestwurf 10 oder die Rüstung des Gegners. Je nach Situation bekommt man einen oder mehrere Bonus- oder Maluswürfel. Das sind W6, die gleichzeitig mit dem W20 geworfen werden. Nur der höchste davon wird gezählt und entweder zum W20 hinzugezählt oder abgezogen.
Das Abenteuer war unterhaltsam. Wir spielten The God Below, eines von den kurzen Abenteuern, die man für schmales Geld als PDF erstehen kann. Die Gruppe war ebenfalls witzig. Insgesamt war das eine tolle Runde. Würde der System-Matters-Verlag nicht gerade an einer Übersetzung arbeiten, die Anfang nächsten Jahres erscheinen soll, wäre ich sofort losgelaufen und hätte mir das Regelbuch gekauft.
Am nächsten Tag veranstaltete Ralf Sandfuchs einen Workshop zum Thema Weltendesign. Er zeigte uns eine kleine Methode mit geführtem Brainstorming, die schnell zu einem ansehnlichen Ergebnis führt. Wir bildeten drei Dreiergruppen und erschufen wahrhaftig interessante Welten. Ob ich in einer von denen wirklich spielen wollen würde (einschließlich unserer eigener), weiß ich nicht genau, aber gefallen haben mir alle.
Anschließend erzählte der System-Matters-Verlag, woran er gerade arbeitete und wann er hofft, die jeweiligen Produkte zu veröffentlichen. Für die Messe ist ein kleines, sehr spannendes Indie-System namens Kagematsu geplant. Es kurz zu beschreiben, ist schwer, aber selbst wenn es nicht für jeden geeignet sein dürfte, liefert es ein tolles, ungewöhnliches Design um eine Gruppe Frauen, die einen Samurai davon überzeugen will, ihr Dorf zu retten. Dungeon World soll kommen, ebenso wie das erwähnte Shadow of the Demon Lord. Stefan Droste arbeitet an einem spannenden historischen Rollenspiel nach Powered-by-the-Apocalypse-Regeln mit dem Titel Mosaic und Ralf Sandfuchs an Bäronomicon, einem Plüschtierrollenspiel - beides vermutlich Arbeitstitel. Man darf wirklich gespannt sein.
Ebenfalls angekündigt haben wir ein Projekt, an dem Daniel und ich schon lange herumdoktorn. Der Arbeitstitel lautet Abenteuer gestalten. Es wird ein Buch über das Abenteuerdesign mit einem Überblick über den aktuellen Stand dieser Tätigkeit (ich möchte nicht sagen: Kunst), wird viele verschiedene Techniken erläutern und auf die verschiedenen Genre und Stile eingehen. Die Arbeit dauert noch an und vor nächstem Jahr, ist nicht mit einem Ergebnis zu rechnen. Ich habe mich widerwillig überreden lassen, ein Facebooklifevideo aufzunehmen, in dem Stefan und ich über unsere jeweiligen Projekte sprechen. Man mag mir meinen Auftritt verzeihen, ich übe noch :-)
Statt Spielrunde beschloss ich am Nachmittag an Frank Hellers Rückblick "30 Jahre Cthulhu in Deutschland" teilzunehmen. Wie erwartet, war mir die Veranstaltung etwas zu lang - sie dauerte immerhin drei Stunden. Aber trotz der Länge war sie sehr unterhaltsam mit vielen Anekdoten und Daran-erinnere-ich-mich-gut-Momenten.
Abends war eigentlich Table Quiz aber in Ermanglung eines anderen Termins, traf ich mich stattdessen mit ein paar Freunden, um The Museum at the End of Time auszuprobieren. Das Abenteuer, fertige Charaktere und weitere Hintergrundinfos hat Greifenklaue verlinkt. Es handelt sich dabei um das Testabenteuer des demnächst erscheinenden Rollenspiels Mutant Crawl Classics. Es baut direkt auf Dungeon Crawl Classics auf und ist damit kompatibel, verlegt die Handlung aber eine postapokalyptische Welt voller Mutanten und künstlicher Intelligenzen. Wir hatten einen unglaublichen Spaß. Eine der Figuren wurde in ein Huhn verwandelt, das nach Curry roch, und einmal skandierte die Gruppe "Drück den Knopf! Drück den Knopf!". Das Spiel nimmt sich selbst durchaus ernst, liefert aber alles für ausgelassenen Spaß - genau wie Dungeon Crawl Classics selbst. Das Abenteuer gehört zum Besten, was ich bisher leiten durfte. Wir waren uns einig: Es ist ein Bisschen wie Numenera, nur cool (was aber nicht die tolle Numenerabox herabwürdigen soll, die seit ein paar Tagen auf meinem Lesestapel liegt). Das Abenteuer hat mir so gefallen, dass ich es gleich am nächsten Tag für die ADI angemeldet habe. Wir spielten ziemlich genau vier Stunden bis Mitternacht, quatschten noch eine Weile und gingen relativ pünktlich ins Bett.
Damit war die Con auch schon wieder fast vorbei. Die Orga war so hervorragend wie immer. Einmal kam es kurzzeitig zu einem Kaffeemangel, der jedoch schnell behoben wurde, bevor Panik ausbrechen konnte. Die Truppe vom CONglomerat hatte sich dieses Jahr mit der AnRUFung zusammengetan. Offenbar lief das hervorragend, ich jedenfalls bemerkte nichts, das nicht reibungslos funktioniert hätte. Danke, Leute, für die viele Arbeit, die ihr euch gemacht habt. Es war toll.
Am Sonntag gab es noch den üblichen Ausblick auf Cthulhu von Heiko Gill - in seiner ganz eigenen Art witzig vorgetragen - und dann blieb nur noch, sich zu verabschieden. Meine Rückfahrt verlief genauso problemlos wie die Hinfahrt und am Nachmittag freute sich mein müdes Haupt auf das Sofa.
Falls jemanden auffällt, dass Cthulhu kaum Erwähnung findet: Stimmt, hat sich dieses Jahr irgendwie nicht ergeben ... nächstes Mal gibt es wieder mehr davon.
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