18.10.23

[Rezi] Spherechild, 3. Edition


Sphärenkinder: Wesen in einer Welt, die Kontakt zu Gleichgesinnten in einer anderen Welt haben – und gemeinsam kämpfen sie gegen Gefahren, die alle Welten bedrohen. „Spherechild“ ist ein weltenübergreifendes Rollenspiel, in dem Fantasykriegerinnen mit Straßensamurai und Raumpiloten zusammenarbeiten – alle auf ihrer Welt.

Alexander Hartungs „Spherechild“ existiert schon lange. Es befindet sich inzwischen in der dritten Edition, farbig und überarbeitet. Das mir vorliegende Buch ist die Taschenbuchausgabe, die mir Alexander netterweise auf einer Con für eine Rezi in die Hand gedrückt hat. Sie wurde hergestellt, um einen günstigen und trotzdem gedruckten Einstieg in das Spiel zu ermöglichen. Um den günstigen Preis von 10 € zu ermöglichen wurde das DIN-A4-Buch auf A5 verkleinert und als Taschenbuch gedruckt. Die Idee ist prinzipiell gut und wurde von Ulisses bereits für DSA praktiziert. Aber es verkleinert die Schrift auf ein Maß, das meine alternden Augen überfordert. Ohne das PDF wäre ich nicht in der Lage gewesen, das Buch zu lesen. Über Drivethru.com kann das PDF und eine POD-Ausgabe in normaler Größe erstanden werden. Wer Interesse an dem Spiel hat, sollte dort zuschlagen.

Die Welt von „Spherechild“ ist ein Multiversum. Unendlich viele Welten – oder Sphären –existieren nebeneinander wie Blasen in einem Schaumbad. In diese Sphären kehren seit einigen Jahren die Mythen zurück. In der Fantasywelt Valcreon sind es vielleicht legendäre Monster, die als verschwunden galten und die nun die Dörfer und Burgen bedrohen. In der Sci-Fi-Welt Sol Thu’ma sind es Eroberer, die vor über zweitausend Jahren verschwanden und nun zurückkehren.

Die Sphären existieren getrennt voneinander. Es ist den Sphärenkindern nicht möglich von einer Sphäre in die andere zu gelangen oder Gegenstände hinüberzuschicken. Die Sphärenkinder haben Verbündete in jeder Sphäre. Mit ihnen sind sie im wahrsten Sinn des Wortes verbunden. Sie können mit ihnen kommunizieren und gemeinsam Pläne ausarbeiten, um die Welten vor Gefahren zu schützen. 

Geschehen Dinge, die die Ordnung einer Sphäre gefährden, kann es zu so genannten Echos kommen. Echos sind Auswirkungen, die in anderen Sphären widerhallen. Das Echo eines Erdbebens in einer Welt, könnte eine Seuche in einer anderen sein, ein Kometeneinschlag führt woanders vielleicht zu einer Insektenplage. Die Sphärenkinder sind in der Lage, diese Echos als solche zu erkennen. Über Absprache mit ihren Geschwistern in der Ursprungswelt können sie versuchen, diese aufzuhalten oder rückgängig zu machen. 

So gestalten sich die Abenteuer und Kampagnen in „Spherechild“. Die Gruppe hat SC in jeder Sphäre und je nachdem, wo die Geschichte gerade spielt, wechselt sie die SC. Gemeinsam lösen die Charaktere weltenüberspannende Rätsel und stellen sich Gefahren, die in anderen Welten widerhallen.

Ihre Gegner sind die Vhoort, gefährliche Wesen, die die Sphären bedrohen und zwischen ihnen reisen können. Sie haben ihre ganz eigenen nachvollziehbaren Gründe, warum sie die Sphären zerstören wollen. Ihre bloße Anwesenheit stört die Ordnung, ein Chaos, das sie noch verstärken. Schnee im Sommer oder Kometeneinschläge können die Folgen sein – oder wiederkehrende Mythen. Mir gefallen die Vhoort als große Gegner sehr gut. Sie machen die Situationen fantastisch und chaotisch, was immer eine gute Sache für Rollenspielgegner ist.

Die Regeln von „Spherechild“ müssen bei diesem Setting zwangsläufig als Universalregeln aufgebaut sein. Sie haben ihre Wurzeln recht deutlich in „Midgard“, „DSA“ und „D&D“. Es gibt sechs Grundattribute, die den meisten aus „D&D“ bekannt vorkommen dürften (nur statt Weisheit gibt es die Geistige Kraft). Sie reichen bis 18. Bei Proben wird 1W20 gewürfelt und die Eigenschaft addiert. Die Spielleitung legt einen Mindestwert fest, der erreicht werden muss. Gleichzeitig folgen aus den Werten Boni und Mali, die wiederum auf Fertigkeiten angerechnet werden. Fertigkeitsproben laufen genauso ab, wie Eigenschaftsproben. 

Für die Charaktere wird ein Volk und eine Profession gewählt – natürlich abhängig von der jeweiligen Sphäre. Fertigkeiten können so genannte Ausprägungen haben, was Spezialisierungen und anderen Besonderheiten entspricht. Außerdem haben Sphärenkinder besondere Kräfte und sogar Gruppenkräfte wie die Möglichkeit über weite Strecken zu kommunizieren. Magie ist eine Fertigkeit, die von jeder Person gelernt werden kann, die in einer Sphäre wohnt, in der es Magie gibt. Zauberspruchlisten gibt es nicht. Stattdessen errechnet sich die Schwierigkeit einer Probe aus der Komplexität eines mehr oder weniger frei zu beschreibenden Zauber. Wer freie Magie im Rollenspiel mag, findet hier ein relativ robustes System, das mit einer überschaubaren Tabelle auskommt.

Die Regeln sind so klassisch, dass ich sie sogar als „retro“ bezeichnen würde. Ich bevorzuge inzwischen einfachere Regeln. Andererseits endet der Regelteil des Buchs bereits auf S. 71, ist also zumindest von der Länge her überschaubar. Die Übersichtlichkeit könnte allerdings besser sein. Die Charaktererschaffung ist im hinteren Teil des Buchs zu finden und die Regelerklärungen erwähnen häufig Werte und Zahlen, mit denen ich noch gar nichts anfangen konnte. Man sollte auf jeden Fall die Lust mitbringen sich in ein Regelwerk einzuarbeiten. Ich habe schon weit kompliziertere Regelwerke gesehen, aber „mal so nebenbei“ ist es hier nicht getan.

Zwei Sphären werden auf jeweils ca. 90 Seiten beschrieben. Valcreon ist eine Fantasywelt ohne die typischen Völker wie Elfen oder Zwerge. Stattdessen finden wir hier Gestaltwandler, Vogelmenschen und Echsenmenschen. Es ist eine gut beschriebene Fantasywelt. Eine Zeitleiste der Geschichte, die „wahre“ Geschichte, Mythen, Wesenheiten, … alles ist da. Natürlich dürfen auch die speziellen Regeln und Tabellen für diese Sphäre nicht fehlen. Ein Szenario und ein paar Seiten über eine Kampagne zeigen beispielhaft, was hier geschehen könnte.

Sol Thu’ma ist eine Sci-Fi-Welt mit Raumschiffen und verschiedenen Planeten. Das Kapitel ist die Entsprechung zum Vorkapitel. Der Regelteil ist naturgemäß länger, weil die Technik und die Raumschiffe erklärt werden müssen. Auch hier liefert ein Szenario ein Beispiel, was die Gruppe erleben kann. 

Ein eigenes Kapitel über die Sphären, ein paar Regeln, die sich speziell darauf beziehen, Erklärungen zu den Vhoort und ein weiteres Beispielabenteuer verbindet die Inhalte der vorigen Seiten. Zum Schluss folgen die Charaktererschaffung (eine erfreulich kurze Zusammenfassung) und ein paar an die Spielleitung gerichtete Seiten. 

Ein abschließendes Urteil fällt mir etwas schwer. Die Idee ist toll und bietet viele spannende Möglichkeiten, verschiedene Genre zu verbinden. Die Weltenwechsel und das Zusammenspiel der Charaktere machen so eine Kampagne sicherlich zu etwas Besonderem. Hartung liefert viele Ideen und bindet sie gut in die Prämisse der bedrohten Sphären ein. Die Beschreibungen der Welten gefallen mir auch recht gut, auch wenn (oder vielleicht sogar weil) sie sich nicht allzu weit von typischen Rollenspielwelten der 80er und 90er Jahre entfernen. Eine gewisse „Biederkeit“ lässt sich nicht leugnen, wird aber immer wieder aufgebrochen. Die Regeln sind mir allerdings zu altbacken. Hier würde ich mir etwas Einfacheres und Moderneres wünschen. 

Fazit: „Spherechild“ ermöglicht epische Kampagnen zur Rettung des Multiversums. In unterschiedlichen Sphären kämpfen dort ansässige Charaktere gemeinsam mit anderen Charakteren in anderen Welten gegen einen gemeinsamen Gegner. Das Regelbuch enthält Beschreibungen von einer Fantasy- und einer Sci-Fi-Welt, doch theoretisch ist jedes Gerne möglich. Die Regeln sind etwas aus der Zeit gefallen, doch ihre Komplexität hält sich in Grenzen.

Spherechild
Grundregelwerk
Alexander Hartung
Eigenverlag 2018
ISBN: keine
304 S., PDF oder Softcover, deutsch
Preis: von 10 EUR bis ca. 40 EUR

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt.]