22.05.23

[Rezi] Vaesen - Nordic Horror Roleplaying

„Vaesen“ ist ein mystisches Rollenspiel von Free League. Die Industrialisierung drängt die mythischen Wesen Skandinaviens immer weiter zurück und sorgt für Konflikte zwischen ihnen und den Menschen. Die Charaktere gehören zu den wenigen Menschen, die diese Wesen sehen können. So liegt es an ihnen, potenzielle Konflikte zu verhindern und Menschenleben zu retten.

„Vaesen“ ist ein wunderhübsches Spiel über nordische Folklore. Vom Aufbau her ist es Cthulhu nicht unähnlich. Die Charaktere stellen sich zwischen magische und gefährliche Wesen und die Menschen, die diese bedrohen. Die Abenteuer sind detektivisch und die Monster nur selten mit einfacher Waffengewalt zu besiegen. Anders als bei Cthulhu sind die Wesen zwar gefährlich, aber dennoch häufig Teil der natürlichen Ordnung. Sie sind neutral und nicht zwangsläufig böse. Manchmal kann eine Verhandlung die bessere Alternative zu Kampf sein.

Für die Bebilderung zeigt sich Johan Egerkrans verantwortlich. Sein Stil ist ein echter Augenschmaus. Das Layout wurde an diesen Stil und das Thema des Buchs angepasst und ist nicht weniger hübsch. All das ist auf mattes voluminöses eierschalenfarbenes Papier gedruckt. Der Buchdeckel ist matt. Es ist eine wahre Freude, das Buch in die Hand zu nehmen und darin zu blättern. Man kann die Gestaltung des Buches gar nicht genug loben. Es passt alles zusammen: die Auswahl der Fonts, die Farben, der Seitenaufbau und natürlich die Bilder. 

Vaesen sind normalerweise unsichtbar - außer für die so genannten Donnerstagskinder. Verursacht von einem Trauma haben diese die Fähigkeit, Vaesen zu sehen. Bis vor kurzem gab es eine Gesellschaft - kurz und prägnant The Society genannt, die die nordischen Sagenwesen studierte und bekämpfte. Die Kampagne sieht vor, dass die Charaktere die Gesellschaft wieder versuchen aufzubauen. In Upsala beziehen das ehemalige Hauptquartier der Society, die Burg Gyllencreutz und bauen sie wieder auf. Sie engagieren Leute, suchen Verbündete und kümmern sich ganz allgemein um alle Belange und Probleme. Ihre Hauptaufgabe ist aber natürlich die Bekämpfung der Vaesen. Die Geschichte der Society bildet eine Art optionalen Metaplot, der sich im Abenteuer am Ende des Regelbuchs bereits andeutet, der aber nicht weiter beschrieben wird. Die Spielleitung kann sich hier beliebig austoben und die Kampagne mit zusätzlichen Geheimnissen und Konflikten füllen.

Die Charaktererschaffung basiert auf Archetypen, die nach Wunsch der Einzelnen mit Details erweitert werden. Neben Attributen und dazugehörigen Fertigkeiten werden Hintergrundinformationen wie eine Motivation, ein dunkles Geheimnis und auch das Trauma, das alles gestartet hat, festgelegt. Attribut und Fertigkeit zusammenaddiert ergeben die Anzahl an W6, die für eine Probe gewürfelt werden. Jede 6 ist ein Erfolg. Man kann einen schlechten Würfelwurf versuchen zu verbessern, indem man ihn noch einmal würfelt. Allerdings nimmt man dafür einen Zustand hin. Zustände beschreiben Verwundungen und Stress, die sich negativ auf die Figuren auswirken und bis zu permanenten Beeinträchtigungen oder sogar dem Tod führen können.

Das Regelbuch geht genau auf die Struktur einer typischen Kampagne und den Aufbau von Abenteuern ein. Zum Beispiel gibt es in und um die Burg immer wieder Probleme, die es zu bewältigen gibt. Dafür kann man die Burg mit Upgrades versehen, die ihre Nützlichkeit als Hauptquartier erweitern. Allerdings führen diese zu Aufmerksamkeit und diese wiederum zu weiteren Problemen. Ein Abenteuer besteht aus definierten Phasen (Prolog, Einladung ins Abenteuer, Vorbereitungen, Reise, Ankunft usw.). Für diese Phasen werden sogar Tabellen geliefert, die man als Inspiration für eigene Fälle nutzen kann. 

Ein großes und wichtiges Kapitel widmet sich den Vaesen selbst. Jeweils eine Doppelseite beschäftigt sich mit einer einzelnen der Kreaturen. Es gibt ein Bild, Spielwerte, ein Geheimnis, Beispiele für Konflikte mit dem Wesen und andere inspirierende Informationen. Ein Abenteuer mit der jeweiligen Kreatur schreibt sich praktisch von selbst - besonders wenn man auf die typische Struktur von Vaesen-Abenteuern zurückgreift. Hier sieht man gut, dass der Horror-Aspekt von „Vaesen“ zwar klar gegeben ist, aber zugunsten von Mystik auf ein Minimum reduziert werden kann.

Das im Regelbuch enthaltene Einführungsabenteuer The Dance of Dreams konnte ich als Spieler auf einer Con mit großem Spaß spielen. Auf einem gut gewählten und hervorragend in Szene gesetzten Schauplatz hatten wir es mit Rache, Missverständnissen, Schattentheater und tiefsitzenden Familienproblemen zu tun. Das Abenteuer macht nicht nur Spaß, es zeigt auch hervorragend, wie der typische Aufbau funktioniert. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann die viel langen und schlecht lesbaren Handouts. Ein Podcast ((https://podcast.system-matters.de/2022/03/31/abenteuer-erforschen-10-der-tanz-der-traeume/)), in dem wir gemeinsam mit Felix Hensell vom Uhrwerk-Verlag (Redakteur der deutschen Übersetzung des Spiels) die Stärken und Schwächen des Abenteuers analysieren, findet man auf der Webseite des System-Matters-Verlags. 

Fazit: „Vaesen“ ist ein tolles Spiel. Das Buch sieht toll aus, bietet gute, einfache Regeln und ein hervorragendes Gerüst für mystische Abenteuer in einem vergangenen Skandinavien. Es liest sich gut und erleichtert der Spielleitung jederzeit mit Tipps, Informationen und Strukturen die Arbeit. Mehr kann man nicht verlangen.

Vaesen - Nordic Horror Roleplaying
Grundregelwerk
Nils Hintze, Rickard Antroia, Nils Karlén
Free League 2020
ISBN: 978-9-18914-392-0
232 S., Hardcover, englisch
Preis: ca. EUR 44

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt.]

07.05.23

[Rezi] Blade Runner The Roleplaying Game

“Blade Runner The Roleplaying Game” ist die Rollenspielumsetzung des berühmten Franchise. Der schwedische Verlag Free League hat sich des Themas angenommen und ein wunderhübsches und stimmungsvolles Spiel abgeliefert.

Das „Starter Set“ habe ich schon vor einer Weile besprochen und fand es sehr gelungen. Will man aber mehr als nur den dort beschriebenen Kriminalfall spielen, wird man sich vermutlich das Grundregelwerk zulegen. Es ist ein stabiles Hardcover im gleichen dunklen und trotzdem übersichtlichen Design. Die Bilder sind sehr stimmungsvolle Straßen- und Stadtszenen oder Abbildungen von Personen, verwaschen und in dunklen Farben gehalten. Mir persönlich sind sie teilweise zu stark verwaschen, aber sie passen hervorragend zur angestrebten Stimmung vom verregneten, künstlich beleuchteten LA. Das Layout greift das auf. Vor dunklen Seitenhintergründen liegen sandfarbene Textkästen, in denen sich der Hauptteil der Texte befindet. Tabellen, Beispiele und Zusatzinformationen sind in heller Schrift auf dunklem Grund. Zum Glück wurde eine Schriftart gewählt, die sich trotz dieser Farbgebung gut lesen lässt. Es macht Spaß, das Buch aufzuschlagen und darin zu blättern, es ist einfach hübsch.

Im Vorsatz ist eine Übersichtskarte von Central Los Angeles abgedruckt. Sie vermittelt das Gefühl der Größe und ganz grob die Verhältnisse, wie die verschiedenen Stadtviertel zueinander liegen, und sieht einfach gut aus. Nur das Cover finde ich langweilig. Aber das ist natürlich Geschmackssache.

Mit ca. 230 Seiten ist das Buch nicht so dick wie viele moderne „große“ Regelwerke, was ich sehr angenehm finde. Die Informationen werden übersichtlich und ohne Geschwafel vermittelt. Das Buch vermittelt in wenigen Worten, was es ausdrücken will. Ich habe praktisch überall auf Anhieb verstanden, was das Regelwerk von mir will.

Die Einführung, was man als Spielgruppe zu erwarten hat, geht bis S. 23 - eine schöne kompakte Übersicht. Auf diesen wenigen Seiten lernen wir, worum es geht. Wir schreiben das Jahr 2037. Es gab ein Verbot von Replikanten und einen Blackout, der alle Daten löschte. Die Wallace Corporation hat letztes Jahr durchgesetzt, dass ihr neues Replikatenmodel, der Nexus-9, für die Massenproduktion und den Masseneinsatz erlaubt wird. Das bedeutet, in Los Angeles leben eine Menge – man schätzt 2 bis 5 Prozent der Bevölkerung - legale Replikanten, die ihren Aufgaben nachkommen. Einige davon arbeiten auch beim LAPD als Blade Runner. Sie sind erst ein Jahr alt, aber mit künstlichen Erinnerungen ausgestattet, die sie auf eine Arbeit als Blade Runner „vorbereiten“. 

Das zweite große Kapitel dreht sich um die Charaktererschaffung. Wie beim Haussystem von Free League zu erwarten, wird wieder mit Archetypen gearbeitet, die von den Spielerinnen und Spielern für ihre Zwecke angepasst werden. Es gibt 4 Attribute (Gewandtheit usw.) mit jeweils drei dazugehörigen Fertigkeiten (Feuerwaffen u. ä.). Anders als bei den anderen Haussystemen des schwedischen Verlags wird hier nicht mit einem Poolsystem gearbeitet, sondern diesen Eigenschaften Würfelgrößen zugeordnet, die per Buchstabencode auf dem Charakterbogen notiert werden. Diese reichen von D (W6) bis A (W12). Man würfelt zwei Würfel: jeweils die Würfel für das Attribut und die Fertigkeit. Ich schieße beispielsweise mit W10 (B in Gewandtheit) und W8 (C bei Feuerwaffen). Eine 6 oder mehr ist ein Erfolg. Eine 10 oder mehr (soweit möglich) bringt zwei Erfolge. Eine Probe mit zwei oder mehr Erfolgen ist ein kritischer Erfolg, was besonders im Kampf von Bedeutung ist. Riskiert man körperlichen oder geistigen Schaden, darf man eine Probe noch einmal würfeln, falls einem das Ergebnis nicht zusagt. 

Von besonderer Bedeutung sind Humanity Points und Promotion Points. Beide können auf unterschiedliche Weise eingesetzt werden - z. B., um besondere Ausrüstung vom LAPD zu leihen oder Fertigkeiten zu steigern - und auf unterschiedliche Weise verloren gehen bzw. hinzugewonnen werden. Beides fließt in die Geschichte ein. Replikanten müssen sich beispielsweise einem Test unterziehen, wenn sie alle ihre Promotion Points verlieren. Über diese beiden Punktesorten werden auf sehr effektive Weise die Themen des Spiels vermittelt: Das Einfügen in die Gesellschaft und Menschlichkeit. 

Außerdem werden für jede Figur eine zentrale Person und eine zentrale Erinnerung festgelegt. Beide fließen sehr direkt ins Spielgeschehen ein. Beide können künstlich sein, wenn der Charakter ein Replikant ist. Die Zeit des Tages ist in Schichten von sechs Stunden eingeteilt und eine davon muss Freizeit sein, will sich der Charakter nicht überarbeiten. Für die Freizeit gibt Tabellen, was in dieser Zeit passieren kann, und in diesen Tabellen kommen beide zentralen Dinge vor. Die Spielleitung versucht sie dann so gut wie möglich in eine Miniszene für diesen speziellen Charakter einzuarbeiten. Manchmal bringen diese Szenen sogar den Fall weiter. Außerdem können sowohl Person als auch Erinnerung im Spiel eingesetzt werden, um bestimmte Vorteile zu bekommen. Wie schon die oben beschriebenen Punkte wird hier auf unkomplizierte Weise dafür gesorgt, dass die zentralen Themen des Spiels auch wirklich an den Spieltisch finden.

Mit dem Kampf geht es weiter und der hat es wirklich in sich. Kampf ist etwas, das man vermeiden sollte und schon zwei Schlägertypen mit Messern stellen eine ernsthafte Gefahr da. Ein kritischer Erfolg löst einen Wurf auf einer Tabelle für kritischen Schaden aus, der durchaus tödlich oder nahezu tödlich enden kann. Ein einziger Treffer kann mit Pech das Ende bedeuten. Das passt sehr gut zum Genre und vermittelt die Gefahr der Straße. 

In diesem Kapitel werden auch Verfolgungsjagden abgehandelt, die ebenfalls wichtiger Bestandteil des Genres sind. Das System ist einfach gehalten, kann aber das Chaos einer Verfolgung durch überfüllte Straßen gut abbilden. Tabellen geben unerwartete Ereignisse vor und die Entscheidung zwischen einer Handvoll einfacher Manöver gibt Auswahlmöglichkeiten für die Beteiligten.

Dann kommen wir beim Hintergrund an. LA erhält ein eigenes ausführliches Kapitel. Ein paar stimmungsvolle Absätze zu Beginn und Informationen über Stadtviertel, Technik und Kommunikation (um nur ein paar Stichworte zu nennen) vermitteln ein vollständiges Bild, ohne sich in Details zu verlieren.

Das nächste Kapitel beginnt mit einem Interview zwischen einer Zeitschrift und dem Chef der Wallace Corporation Niander Wallace, das ein hervorragendes Stimmungsbild abgibt. Der Rest des Kapitels beschäftigt sich mit den verschiedenen Fraktionen in LA. Staatliche und kriminelle Organisationen, die Medien, die Wallace Corporation und natürlich die Replikanten mit den verschiedenen Modellen und dem Replikantenuntergrund, der sich für die Rechte der künstlichen Menschen einsetzt. 

Das nächste Kapitel mit dem Titel Working the Case ist das zentrale Kapitel über das Wie und Was der täglichen Arbeit der Blade Runner. Wie kommen die Blade Runner an besondere Ausrüstung? Was für Ränge gibt es? Was für Abteilungen gibt es? Was für technische Möglichkeiten stehen dem LAPD zur Verfügung? Wie sieht das Standardverfahren bei Fällen aus? All diese Fragen und mehr werden geklärt. 

Bei Science-Fiction-Rollenspielen sind die Kapitel über die Ausrüstung besonders wichtig. Das vorliegende Kapitel Tools of the Trade hat mich mit seiner Effektivität beeindruckt. Hier gibt es weit mehr als Listen. Die Marke wird hier ebenso erklärt wie die Standardwaffen und -fahrzeuge, die dem LAPD zur Verfügung stehen. Zentrales technisches Element ist der KIA, der Knowledge Integration Assistent, der mit dem Server des LAPD verbunden nicht nur ermöglicht Beweismaterial sofort dorthin hochzuladen, sondern auch eine effektive Kommunikationsmöglichkeit zwischen den Blade Runnern darstellt. Das Gerät ermöglicht es der Gruppe, sich zu trennen und trotzdem gemeinsam zu agieren. Die Verbindung zum Server kann aber auch getrennt werden. Verrat und das Umgehen der Regeln sind wichtige Bestandteile des Spiels.

Running Blade Runner bildet das Abschlusskapitel des Buchs. Die eigentlichen Kriminalfälle, sollen nicht nur spannende Geschichten erzählen, sie drehen sich auch um die wichtigen Fragen der Menschheit: Was macht einen Menschen aus? Was ist Realität, wenn meine Erinnerungen in einem Labor designt wurden? Was bedeuten Menschlichkeit und Moral? Dieses Kapitel vermittelt theoretische Überlegungen dazu. Ein komplettes Beispiel ist im „Starter Set“ zu finden. Sind die künftigen Fälle so gut wie der im „Starter Set“ (ich hatte inzwischen Gelegenheit, ihn zu spielen), dann ist auch die praktische Umsetzung dieser Überlegungen hervorragend gemacht. Ich hoffe jedenfalls auf noch viele offizielle Abenteuer. Neben dem typischen Aufbau eines Falles, den zentralen Fragen der Fälle, Tipps zur Stimmung und allgemeinen Tipps zu Detektivfällen liefert das Kapitel auch Tabellen mit deren Hilfe man einen Fall selbst erstellen kann.

Vielleicht kann man an meinen Beschreibungen bereits erahnen, wie begeistert ich von „Blade Runner“ bin. Die Regeln sind auf den Punkt passend und liefern alles Nötige, ohne unnötig kompliziert zu werden. Die Beschreibungen sind kurz und kompakt und stimmungsvoll. Die gebotenen Informationen lassen keine Fragen offen, soweit ich das nach meinem Testspiel sagen kann. Es macht Spaß das Buch anzusehen und es macht Spaß, es zu lesen. „Blade Runner The Roleplaying Game” ist gemeinsam mit dem „Starter Set“ für mich eines der beeindruckendsten Rollenspielprodukte der letzten Jahre.

Fazit: Wer sich für das Franchise „Blade Runner“ oder für interessante Kriminalfälle im Rollenspiel interessiert, sollte einen Blick auf „Blade Runner The Roleplaying Game“ werfen. Das Buch sieht gut aus und liest sich gut. Die Informationsdichte ist hoch, ohne zu überfordern. Die Regeln sind gelungen und nicht zu kompliziert. Die Hintergründe werden gut vermittelt. Ein tolles Buch.

Blade Runner The Roleplaying Game

Grundregelwerk
Tomas Härenstam, Joe LeFavi, Nils Karlén, Gareth Mugridge
Free League 2022
ISBN: 978-9-18914-373-9
231 S., Hardcover, englisch
Preis: EUR ca. 46

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

12.02.23

[Rezi] Blade Runner RPG Runner Screen


Der Sichtschirm für das „Blade Runner RPG“ ist wie immer bei Free League ein Hardcover. Er wird als Einzelprodukt ohne zusätzliche Materialien verkauft.

Einen Sichtschutz zu rezensieren ist nicht einfach. Was kann man schon groß sagen? Der Sichtschutz für das „Blade Runner RPG“ ist aus stabiler Pappe (wie ein Hardcover-Buchdeckel) und in der üblichen Qualität. Er bietet drei Seiten im Querformat - das von mir bevorzugte Format. So ist es mir möglich über den Schirm hinweg problemlos die Spielgruppe zu sehen und die Breite des Schirms reicht aus, um dahinter genug Platz für meine Unterlagen zu bieten. Die Cellophanierung ist glänzend, was vermutlich besser passt als eine matte Oberfläche. 

Das der Spielgruppe zugewandte Bild will mir dieses Mal nicht so richtig gefallen. Es ist, finde ich, weder sehr stimmungsvoll noch bietet es einen irgendwie gearteten Eindruck vom Spiel. Natürlich ist das Geschmackssache. Ihr seht es ja in der Abbildung, macht euch selbst ein Bild.

Auf der Innenseite sind die üblichen Tabellen abgedruckt. Passend zum Stil des Buches ist helle Schrift auf dunklen Hintergrund gedruckt. Zum Glück wurden sowohl Schriftart als auch Schriftgröße so gewählt, dass die Tabellen nicht schwieriger zu lesen sind als bei anderen Sichtschirmen. Andererseits habe ich noch keinen Sichtschirm gesehen, der im Halbdunkel des üblichen Schattenwurfs von der Lampe, die meist auf der anderen Seite des Schirm hängt, gut zu entziffern gewesen wäre. Das vorliegende Exemplar schlägt sich dabei aber ganz gut.

Die Tabellenauswahl beinhaltet alles Wichtige, was man im Spielalltag so braucht - zumindest, soweit ich das ohne Spieltest sagen kann. Ich habe jedenfalls nichts vermisst. Zwei Tabellen für kritische Verletzungen, kritische Effekte von Stress (recht wichtig bei „Blade Runner“), Kampftabellen, Explosionsschaden, ... hier wurde gut ausgewählt. Sehr schön finde ich die LAPD-Resource-Requests-Tabelle. Als Angestellte können die Charaktere benötigte Ausrüstung beantragen. Wo man diese abholen muss, wie lange das dauert und andere Informationen sind in der Tabelle enthalten. Genau so etwas brauche ich während des Spielabends. Ein weiteres nettes Details sind die Seitenangaben. Jeder Tabelle ist die Seite zugeordnet, auf der man zum Thema im Regelbuch nachschlagen kann, falls man mehr Details benötigt.

Fazit: Ein Sichtschirm in guter Qualität. Auch wenn mir das Außenbild dieses Mal nicht so gut gefällt, bietet er alles, was man braucht. Die Tabellenauswahl ist gut und Seitenangaben für das Regelbuch erleichtern ihre Benutzung.

Blade Runner RPG Runner Screen
Zubehör
Free League 2022
3 S., Hardcover, englisch
Preis: EUR ca. 22

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

10.02.23

[Rezi] Blade Runner RPG Starter Set

Kaum ein neues Rollenspiel, für das es nicht auch ein Starter Set gibt. So auch für das neue „Blade Runner RPG“ von Free League. Die Box enthält alles, was man braucht, um den ersten Fall der Blade Runner - sprich, der Spielercharaktere – stilvoll und luxuriös zu spielen.

Ob das Phänomen der „Starter Sets“ der Tatsache geschuldet ist, dass viele neue Rollenspiele über Kickstarter finanziert werden und solche Boxen hervorragende Möglichkeiten für Stretch Goals bieten? Oder daran, dass der moderne Rollenspieler zu viel Geld aber zu wenig Zeit hat? Die Frage kann wohl niemand beantworten, aber für viele Spiele werden heutzutage diese luxuriösen Starter Sets herausgebracht. Meist enthalten sie kurze Regeln, ein Abenteuer und zusätzliches Material, das den ersten Spielabend unterstützt. So auch das „Blade Runner RPG Starter Set“. Es enthält ein kurzes Softcover-Regelbuch von 80 Seiten, den ersten Case File (so werden in „Blade Runner“ die Abenteuer genannt) mit dem Titel „Electric Dreams“, zwei Sätze von speziell angefertigten Würfeln, einen Stapel Spielkarten für unterschiedliche Zwecke, eine Posterkarte von Los Angeles, vier fertige Charaktere und einen braunen Umschlag vollgestopft mit Handouts für das Abenteuer einschließlich Szenenfotos und Karten.

Um es vorwegzunehmen: Man braucht das Starter Set nicht, wenn man sich das Grundregelbuch, das gleichzeitig erschien, kaufen will, aber irgendwie verpasst man dann was. Das Spiel ist auf diese Case Files ausgelegt. Das Grundbuch gibt natürlich Tipps, wie man selbst welche entwirft, aber die fertigen Fälle machen, wie ich gleich noch zeigen werde, den Reiz des Spiels aus. Außerdem sind die Würfel und Initiativekarten enthalten. Auch diese braucht man nicht. Karteikarten mit den Zahlen 1 bis 10 und normale Würfel von W6 bis W12 tun es auch, aber es wird einfacher und stilvoller mit diesen Materialien.

Doch fangen wir vorn an: die Regeln. Das Heft hat 80 Seiten und enthält im Vergleich zum vollen Buch gekürzte Regeln, aber alles, was man zum Spielen das Falls braucht. Es ist wunderhübsch gestaltet mit dunklen Farben und verwaschenen Bildern. Die Bilder sind mir teilweise zu stark verwaschen, aber stimmungsvoll sind sie allemal. Die Schrift vom normalen Fließtext ist allerdings sehr klein und gepaart mit dem verwendeten spiegelnden Hochglanzpapier für meine Augen etwas schlecht zu lesen. Keine Katastrophe, aber es könnte besser sein. Abgesehen davon gibt es an der Gestaltung kaum etwas auszusetzen.

Die Einführung ist kurz und übersichtlich und gibt einen hervorragenden Überblick. Die Spielerinnen und Spieler übernehmen Mitarbeiter der LAPD Rep-Detect Unit (die namensgebenden Blade Runner), sprich, sie klären Fälle auf, die mit Replikanten zu tun haben. Das Spiel spielt 2037. Die Wallace Company (ein weltumspannender Riesenkonzern, der alles kontrolliert) hat die Nexus-9-Variante der Replikanten auf den Markt gebracht, die im Gegensatz zu den alten Varianten wieder sicher sein soll. 

Die Regeln sind zwar angelehnt an die anderen Spiele von Free League, verwenden aber keinen W6-Würfelpool, sondern W6 bis W12. Man würfelt immer mit zwei Würfeln. Die Eigenschaften und die Fertigkeiten haben jeweils Werte von A (entspricht dem besten Würfel, dem W12) bis D (entspricht W6). Bei einer Probe kombiniert man eine Fertigkeit mit einer Eigenschaft und würfelt die beiden entsprechenden Würfel. Eine 6 oder mehr auf einem Würfel ist ein Erfolg, 10 und mehr zwei Erfolge. In der Box sind zwei Sätze mit W6 bis W12. Die hohen Zahlen sind entsprechend mit Symbolen gekennzeichnet, dass man auf einen Blick die Anzahl der Erfolge sieht. 

Die Charaktererschaffung ist einfach. Die Charaktere haben eine überschaubare Anzahl an Fertigkeiten und Eigenschaften. Es gibt Humanity und Promotion Points, die die Charaktere abhängig von ihren Handlungen und Würfelergebnissen bekommen können und die für verschiedene Dinge, z. B. auch Steigerungen, ausgegeben werden können. Das Ausrüstungskapitel ist kurz, bietet aber alles, was man für den ersten Fall braucht. Es gibt zum Beispiel den KIA, den Knowledge Integration Assistent, über den die Charaktere kommunizieren und auf die Datenbanken des LAPD zugreifen können, um Fotos und Berichte dorthin zu schicken oder selbst Informationen zu finden. Das kleine Gerät ist für das Spiel eine großartige Erweiterung, denn damit können die SC miteinander kommunizieren und sich unterstützen, auch wenn sie an verschiedenen Orten sind. „Never split the party“ war gestern.


Mir gefallen die Regeln sehr gut. Sie bieten Einfachheit kombiniert mit etwas Crunch und unterstützen das angestrebte Spielgefühl hervorragend – zumindest soweit ich das ohne Spieltest sagen kann. Mir ist nur nicht ganz klar, warum mit den Buchstaben ein zusätzlicher Umsetzungsschritt auf die Charakterbögen muss. Man hätte auch gleich mit den Zahlen arbeiten können.

Der Case File ist ein tief im Replikantenthema verwurzelter Kriminalfall. Detektivabenteuer sind nicht leicht zu schreiben. Zu leicht passiert es, dass sich die Charaktere in der Informationsflut verirren. Der vorliegende Fall ist extrem gut designt. Die Auflösung ist prinzipiell einfach. Es gibt nicht viele logische Schritte, die nötig sind, sie herauszufinden. Außerdem gibt es einen klaren Endpunkt. Die Tage sind aufgeteilt in Schichten und in einer Schicht von 6 Stunden kann man nur eine gewisse Menge erledigen. Die SC müssen sich also vermutlich trennen, um schnell genug zu sein. Denn eine Zeitleiste gibt an, wie der Fall jede verstrichene Schicht eskaliert, bis er zu Ende ist und etwas passiert, das den Charakteren klar macht, dass sie gescheitert sind. Die Charaktere können das Ende auf diese Weise nicht verpassen. Das Netz an Hinweisen ist gut und übersichtlich aufgearbeitet.

Toll ist auch die Idee, dass eine Schicht immer der Erholung der Charaktere dient. In dieser Zeit können Dinge passieren, die mit dem Privatleben der Figuren zu tun haben (der Fall liefert eine Tabelle). So wird den Figuren auf einfache Weise Leben eingehaucht.

Unterstützt wird das Ganze von den vielen toll gestalteten Handouts, die der Box beiliegen. Es gibt Dossiers, eine Zeitungsseite, Bilder von Überwachungskameras (in die man sogar hineinzoomen kann), Karten und andere Dinge. Dazu kommen die Spielkarten, von denen einige Bilder von NSC zeigen, denen die Charaktere begegnen. 

Vor allem die tollen Handouts, aber auch die gute Geschichte gepaart mit guter Aufbereitung machen das Abenteuer zu etwas Besonderem. Es darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass trotzdem eine Menge Arbeit auf die Spielleitung wartet, die das Abenteuer vorbereiten will. Es gibt viele NSC, einige Örtlichkeiten und natürlich diverse Hinweise, über die es einen Überblick zu behalten gilt. Ein Fließdiagramm, das zeigt, wie die einzelnen Szenen und Orte zusammenhängen hilft bei der Vorbereitung, kann aber bestenfalls unterstützen. Ich habe eigentlich schon lange keine Lust mehr, Abenteuer aufwändig vorzubereiten zu müssen, aber hier lohnt es sich.

Die Case Files sind des zentrale Element von „Blade Runner“, das wird in der Box mehrere Male betont. Sie werden sicherlich den Großteil der zukünftigen Veröffentlichungen ausmachen. Wenn sie in der Qualität so bleiben wie „Electric Dreams“, dann können wir uns darauf freuen.

Fazit: Das „Blade Runner RPG Starter Set“ ist eine Box, die alles enthält, um den ersten Fall in der LAPD Rep-Detect Unit im Los Angeles von 2037 zu lösen. Die Regeln sind gut, einfach und passend. Die Gestaltung ist hervorragend. Das Abenteuer, das mit vielen in der Box enthaltenen toll gemachten Handouts gespielt wird, gefällt mir ausgezeichnet. Es ist für alle zu empfehlen, die Noir-Detektiv-Geschichten mögen. Würfel und weitere Materialien sind ebenfalls in der prall gefüllten Box enthalten. Ein tolles Produkt und fast schon ein Pflichtkauf, wenn man sich für das „Blade Runner RPG“ interessiert.

Blade Runner RPG Starter Set
Regelwerk und Abenteuer
Thomes Härenstam, Joe LeFavi
Free League 2022
136 S., Box, englisch
Preis: EUR ca. 44

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

05.02.23

[Rezi] Magical Cops: Drachentanz

„Magical Cops: Drachentanz” ist der "Pilotfilm" zu einer neuen Serie, in der Cops mit Martial Arts und magischen Kräften im modernen Hong Kong Fällen nachgehen, die mit dem Übernatürlichen zu tun haben. Natürlich handelt es sich hierbei nicht wirklich um einen Film, sondern um ein Abenteuer für das Action-Rollenspiel „New Hong Kong Story“.

„Drachentanz“ bietet wie alle Abenteuer für das liebevoll designte Rollenspiel nicht nur einen kurzen und übersichtlichen Abenteuertext, sondern auch eine Menge Zusatzmaterial. Doch zuerst zur Geschichte: Die Magical Cops bilden eine Sondertruppe der Polizei von Hong Kong, die immer dann zum Einsatz kommt, wenn etwas scheinbar Übernatürliches aufgeklärt werden muss. In diesem Fall sind es ungewöhnlich viele Glücksfälle: mehrere Lotteriegewinne auf einmal; schwere Unfälle, bei denen wie durch ein Wunder niemand verletzt wurde oder ein gefundener Jadeanhänger in einer Cornflakespackung. Der Chef der Charaktere ist der Meinung, dass dem nachgegangen werden muss, denn so viel Glück muss durch Unglück wieder ausgeglichen werden.

Das Abenteuer ist einfach strukturiert. Ein paar Nachforschungen führen zu einer bestimmten Firma.  Dort befragen oder verprügeln die Charaktere ein paar Angestellte und finden dadurch etwas heraus, was sie wiederum weiterführt usw. Die Gruppe erlebt natürlich spannende Kämpfe, aber auch eine verwirrende Verfolgungsjagd, muss klassische Nachforschungsarbeit leisten und kommt schließlich am magischen Ende an. In klassischer Actionfilmmanier ist das nicht kompliziert und das Ankommen am nächsten Ort des Geschehens ist weit wichtiger als die Suche nach dem nächsten Hinweis. 

Der Aufbau ist zwar gradlinig aber dennoch relativ lose. Die Spielleitung muss sich nicht durch Detailmassen kämpfen, sondern kann flexibel auf das reagieren, was die Gruppe tut. Manchem wird das etwas zu wenig sein. Der Abenteuertext gibt zwar vor, wo es weitergeht, und erwähnt auch ein oder zwei Hinweise, die die Gruppe finden kann, wie genau die Spielleitung die Cops aber zum nächsten Handlungsort bekommt, bleibt ihr überlassen. Ich persönlich mag das, denn es macht meine Arbeit als Spielleiter sehr einfach. Es fällt mir nicht schwer, diese Art Details spontan aus dem Hut zu zaubern, wenn die Gruppe irgendetwas macht, was halbwegs passt.


Dennoch nimmt Autor Torsten John hier die eine oder andere Abkürzung. Es geht insgesamt nur um zwei oder drei Stellen, an denen das relevant ist, aber zwei Stichworte, die der Spielleitung helfen, hätten es schon mehr sein dürfen. Das ist eigentlich eine Arbeit, die der Abenteuertext leisten sollte. Diese lose Herangehensweise könnte Absicht sein, denn wir haben es hier mit einer gewissen Actionfilmlogik zu tun (von den billigeren Actionfilmen), wo nicht so ganz klar ist, wie die Protagonisten zu ihren Schlüssen kommen. Zweimal habe ich mich beim Lesen am Kopf gekratzt, weil ich mich fragte, wo der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Informationen ist, die mir geboten wurden. Aber egal ob Actionfilmlogik oder nicht, ab und zu muss die Spielleitung sich selbst überlegen, wie sie die Gruppe im Abenteuer weiterbringt.

Weil der Rest stimmt und ich die Freiheit, die das Abenteuer mit sich bringt, sehr schätze, kann ich da aber drüber hinwegsehen. Dabei helfen auch die wie immer hervorragenden Materialien, die es zum Abenteuer dazugibt. Sechs Karten von verschiedenen Orten können als Battlemaps benutzt werden - sehr hübsch gestaltet und in ausreichender Größe. Für mich sind sie immer die Highlights der New-Hong-Kong-Story-Abenteuer. Außerdem enthält das Paket fünf Ausrüstungskarten in Form und Größe von Spielkarten, sechs wie Polaroidfotos gestaltet Karten mit NSC, einen Bogen mit ausschneidbaren Tokens, einer Postkarte von Hong Kong, einer Visitenkarte der Lucky Pork Comany, einem Zeitungshandout und sogar einem kleinen Tütchen für die später ausgeschnittenen Tokens. 

Fazit: „Magical Cops: Drachentanz” ist ein einfaches Actionabenteuer rund um eine Abteilung der hongkonger Polizei, die sich mit magischen Verbrechen beschäftigt. Die Gradlinigkeit des Abenteuers stört nicht, weil die Action im Vordergrund steht und die Geschichte gut genug designt ist, dass sich die Spielgruppe nicht gegängelt fühlen dürfte. Mit ein wenig Actionfilm-Logik muss man allerdings leben und die SL muss Flexibilität mitbringen. Zusammen mit dem hervorragenden Zusatzmaterial steht ein oder zwei unterhaltsamen Spielabenden nichts im Weg.

New Hong Kong Story - Magical Cops: Drachentanz
Abenteuer
Torsten John
Black Mask 2020
38 S., geheftet + weitere Materialien, deutsch
Preis: EUR 10,00

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

16.01.23

[Rezension] Hong Kong City Guide

Der „Hong Kong City Guide” ist eine Kartensammlung für die beliebteste Abenteuerorte in Hong Kong. Es sind Battlemaps für das Spiel „New Hong Kong Story“ oder andere moderne Rollenspiele. Dazu gibt es ein paar Tokens und ein Begleitheft mit Schauplatzbeschreibungen.

„New Hong Kong Story“ ist ein liebevoll gemachtes Actionrollenspiel - eine Rezension ist hier im Ringboten zu finden. Die Spielgruppe spielt Schauspielerinnen und Schauspieler, die in asiatischen Actionfilmen auftreten. Die Abenteuer sind die Filmhandlung. Die Charaktere haben Fähigkeiten, die ihren Rollen entsprechen aber auch Fähigkeiten, die die Schauspieler beherrschen. Obwohl also in jedem Abenteuer andere Rollen gespielt werden, findet dennoch eine Entwicklung der Figuren statt. 

Zentral für jeden Film sind die mit Special Effects und abgefahrenen Stunts angereicherten Actionszenen. Um diese darzustellen, gibt es zu jedem Abenteuer mehrere Battlemaps, auf denen ebenfalls mitgelieferte Tokens hin- und hergeschoben werden können. Im Gegensatz dazu bietet der „Hong Kong City Guide“ sechs verschiedene Schauplätze, die beliebig in eigenen Abenteuern eingesetzt werden können. 

Im Mittelpunkt dieses kleinen Produktes stehen also die Karten. Die größte ist eine Karte einer Fähre, der Star Ferry. Die Karte ist etwas größer als zwei längs aneinandergelegte DIN-A4-Seiten. Sie zeigt das Deck der Fähre, einschließlich Brücke, Maschinenraum und Toiletten. Die anderen Karten sind DIN A3. Es gibt eine Arena, in der illegale Kämpfe durchgeführt werden, einen kleinen Supermarkt, einen Abschnitt des Night Markets (einen Straßenmarkt, der einmal im Jahr eine Woche lang abgehalten wird), zwei Karten eines Schrottplatzes und (mein persönliches Highlight) zwei Karten von Abschnitten der Kowloon Walled City. Wer nicht weiß, was es das ist, sollte unbedingt eine Internetsuche nach Bildern machen. Bevor sie 1993 abgerissen wurde, war die Kowloon Walled City ein quasi rechtsfreier Häuserblock, in dem bis zu 50000 Menschen in ärmlichen Verhältnissen auf engstem Raum lebten. Um die Enge und Vertikalität darzustellen, geben Zahlen die Höhe der Ebenen auf den beiden Karten an.

Ein kleines 30-seitiges Heft beschreibt die jeweiligen Schauplätze und liefert auch gleich eine passende Actionszene mit, die dort ausgespielt werden kann. Da in diesen Szenen die Umgebung immer in die Kämpfe einbezogen wird, beinhalten die Beschreibungen entsprechende Möglichkeiten und Details. Das ist übersichtlich formuliert, ideenreich und schnell gelesen - eine tolle Ergänzung zu den Karten.

Ebenfalls nicht fehlen dürfen Handouts von Polaroid-Fotos, die die wichtigen NSC zeigen. Diese sind jedem Abenteuer beigefügt. Hier sind es fünf Bilder unterschiedlicher Personen und die Zeichnung eines Drachengraffiti, falls ein Fantasyfilm gedreht wird. Normalerweise sind die Bilder mit Namen versehen, hier aber natürlich nicht, damit sie beliebig eingesetzt werden können. Als letztes sind eine Postkarte von Hong Kong und zwei Bögen mit verschiedenen Tokens von Personen, Fahrzeugen und Gegenständen beigefügt.


Fazit: Die Karten, Tokens und Beschreibungen des „Hong Kong City Guides“ lassen sich vielfältig in so ziemlich allen modernen Rollenspielen einsetzen. Sie sind hübsch anzusehen und übersichtlich genug, um unkompliziert aufregende Actionsequenzen damit zu gestalten. Für gerade mal 8 schmale Euro bekommt man das kleine Paket. Das ist einen Blick wert, egal ob man „New Hong Kong Story“ oder ein anderes modernes Rollenspiel wie Vampire oder Shadowrun spielt.

New Hong Kong Story - Hong Kong City Guide

Quellenbuch

Christian Blaßmann

Black Mask 2020

ISBN: keine

30 S. + Zusatzmaterial, Softcover, deutsch

Preis: EUR 8

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

22.10.22

[Rezi] The One Ring 2nd Edition

“The One Ring” ist eines von vielen Rollenspielen, die in Tolkiens Mittelerde angesiedelt sind und die speziell dafür designt wurden, um Abenteuer in der Welt des „Herrn der Ringe“ spielen zu können. Die erste Edition wurde vielfach gelobt, weil sie das Spiel gut aufbereitet und den Spielgruppen viele Werkzeuge in die Hand gab, um die Stimmung und die Welt nachzuerleben. Der schwedische Verlag Free League brachte nun die 2. Edition des Spiels heraus – mit neuer Optik und überarbeiteten Regeln.

Wie von Free League nicht anders zu erwarten, ist das Buch hervorragend produziert. Die Auswahl des Papiers ist toll. Es ist ein voluminöses, mattes Papier, das sich gut anfasst und gut blättert. Es passt gut zur Gestaltung: sandfarbener Hintergrund, schwarzweiße Bebilderung und eine generelle Farbgebung, die mit warmen Rottönen und Braun arbeitet. Das Buch ist stabil gebunden und lässt sich gut blättern. Im Kontrast zu den gedeckten Sand- und Rottönen gibt es düstere, flächige Farbbilder. Das Bild auf dem Cover gibt einen guten Eindruck, was einen dabei erwartet. Jedes Kapitel wird mit einer farbigen Doppelseite eingeleitet, die so ein düsteres Bild zeigt. Der flächige Stil deutet mehr an, als er explizit zeigt. Der Kontrast der beiden Stile ist eigenartig, aber gibt dem Buch einen ganz eigenen optischen Reiz.

Den vorderen und hinteren Vorsatz ziert jeweils eine hübsche Karte von Eriador, sodass man gleich beim ersten Aufschlagen des Buchs sieht, auf welche Region Mittelerdes sich das Regelwerk konzentriert. Vorn ist die Spielerkarte hinten ist die Karte für die Spielleitung mit dezent eingefärbten Hexfeldern überdeckt, was für die Berechnung der Reisezeiten und die regelgerechte Durchführung von Journeys gebraucht wird. (Ich bleibe der Einfachheit halber bei den englischen Begriffen, sowohl bei Regeln als auch den meisten Mittelerde-Begriffen.)

Kapitel 1 und 2 bieten gemeinsam eine der besten Einleitungen in ein Rollenspielregelwerk, die ich bisher gelesen habe. Kapitel 1: Prologue reicht gerade mal von S. 4 bis S. 13 und liefert einen Überblick über das Spiel. Gleich hier auf den ersten Seiten erfahren wir, dass sich das Buch auf Eriador und die Zeit des Dritten Zeitalters konzentriert, also die Zeit, die von „Der Hobbit“ bis zum „Herrn der Ringe“ reicht. Eine grobe Zeitleiste liefert einen Überblick. Außerdem werden hier die beiden wichtigen Phasen des Spiels beschrieben, die Adventuring Phase und die Fellowship Phase. Erstere ist das, was wir in einem Rollenspiel erwarten, die Phase, in der sich die Abenteuerhandlung abspielt. Letztere ist die Zeit zwischen den Abenteuern, in der das restliche Leben der Charaktere stattfindet. Dieser kurze Überblick hilft sehr, den Rest des Regel- und Spiel-Aufbaus zu begreifen.

Kapitel 2: Action Resolution erklärt hervorragend und kurz (es geht von S. 14 bis S. 25) die Grundmechaniken des Spiels, liefert ein Glossar und erlaubt einen ersten Blick auf den Charakterbogen. Am besten spielt man das Spiel mit den speziellen Würfeln, die es dafür zu kaufen gibt (zum Beispiel im „Starter Set“, das ebenfalls hier rezensiert wurde). Zum Glück können aber auch normale W6 und W12 benutzt werden, sodass man auf den Erwerb auch gut verzichten kann – sie sind nur praktischer, weil sie zusätzlich zu den Zahlen einige Symbole zeigen. Man würfelt eine Anzahl an W6, die dem Wert in der entsprechenden Fertigkeit entspricht. Zusätzlich wird ein W12 gewürfelt. Die Zahlen werden aufaddiert und mit einem Mindestwurf verglichen, der sich aus dem passenden Attribut berechnet. Die 6en auf den W6 zeigen ein besonderes Symbol und für jede gewürfelte 6 gibt es einen coolen Bonus beim Ergebnis der Probe. Der W12 wird normal dazugerechnet, es sei denn, er zeigt eine 11 oder 12. Die 11 zeigt das Eye of Sauron. In diesem Fall zählt der Würfel Null Punkte für den Wurf. Die 12 zeigt die Gandalf-Rune und wird diese gewürfelt, ist der Wurf ein automatischer Erfolg. 

Es gibt eine weitere Besonderheit: Hat der Charakter den Zustand Weary, z. B. weil er einen anstrengenden Marsch hinter sich hat oder zu viel Ausrüstung mit sich herumträgt, werden bei den W6 nur die 4en, 5en und 6en gezählt. Ergebnisse von 1 bis 3 werden ignoriert. Die Sonderwürfel zeigen entsprechende Symbole auf den Würfeln und stellen die Zahlen 1 bis 3 nur in Umrissen dar, sodass sie sich optisch vom Rest abheben. Aber mit ein klein wenig Übung sollten auch normale Würfel problemlos ablesbar sein. Man muss sich an die Art der Probengestaltung etwas gewöhnen, aber nach kurzer Zeit sollte sie gut von der Hand gehen.

Die Charaktererschaffung ist unkompliziert. Die wichtigsten Schritte sind die Auswahl einer Heroic Culture und eines Callings. Für erstere werden sechs Kulturen beschrieben, die spezifisch für Eriador und dieses Buch sind. Da wird es sicherlich Erweiterungen geben. Zur Auswahl stehen zum Beispiel die Men of Bree oder die Elves of Lindon. Elfen, Zwerge, Hobbits und Menschen können alle gespielt werden. Aus der Kultur ergeben sich die Attribute und die Fertigkeiten. Natürlich werden die einzelnen Charaktere mit ein paar Auswahlmöglichkeiten individualisiert, aber das sollte recht schnell gehen. Die Callings stellen sozusagen die Charakterklasse dar. Man wählt aus ebenfalls sechs Stück aus und kann so z. B. Captain oder Scholar werden. Aus den Callings ergeben sich kleinere Besonderheiten wie favorisierte Fertigkeiten.

Wie man bereits an der Aufteilung des Spiels in Adventuring und Fellowship Phases erahnen kann, werden einige typische Spielphasen strukturierter angegangen, als man das von vielen anderen Rollenspielen kennt. Der Kampf als eigene Phase ist da noch ausreichend bekannt. Er ist unkompliziert, aber es wurde wie überall im Spiel viel Wert darauf gelegt, ihm einen besonderen Herr-der-Ringe-Charme zu geben. Die 6en bei den Skill Dice geben bei gelungenen Proben jeweils einen Vorteil, der gegen zusätzlichen Schaden oder andere taktische Vorteile eingetauscht werden kann. Die Figuren wählen jeweils aus, wie sie im Kampf teilnehmen wollen: im Fernkampf oder im Nahkampf eher verteidigend, vorwärts preschend oder flexibel. Daraus ergeben sich Möglichkeiten und Risiken. 

Council ist eine eigene Phase. Hier wird beschrieben, wie man mechanisch vorgeht, wenn sich eine Gruppe von Gesandten für Verhandlungen trifft. Eine einfache Auswahl von Möglichkeiten und ein ebenso einfaches Verfahren, wie Proben gewürfelt werden, erlauben eine spannende Verhandlung. Wie später die Reisen ist die Herangehensweise recht mechanisch, was vermutlich nicht jeder mag und was vor allem nach einer Zeit repetitiv werden kann. Auf der anderen Seite kann man so eine Verhandlung kurz und knapp abhandeln, ohne auf ein gewisses Maß an Stimmung und Rollendarstellung verzichten zu müssen.

Weniger überzeugt bin ich von der Phase der Reisen. Das Kapitel Journeys beschreibt, wie eine Reise mechanisch durchzuführen ist. Die Reisenden wählen eine Funktion in der Gruppe (z. B. Guide oder Hunter), es wird eine Reiseroute ausgewählt und mithilfe von Würfelwürfen entschieden, ob bzw. wann etwas Unvorhergesehenes geschieht. Außer dass die Charaktere Ermüdung in Form von Fatigue Points anhäufen können, sind die Konsequenzen allerdings nicht sehr spannend, wenn die Gruppe es nicht gerade sehr eilig hat. Es werden zwar Tipps gegeben, wie die Spielleitung besondere Ereignisse auf der Reise beschreiben soll, aber ein Umweg ist am Ende nur ein Umweg, der etwas Zeit kostet. Die Spielleitung wird vermutlich recht schnell auf diese Form der Abwicklung verzichten, sich eigene Ereignistabellen ausdenken oder die Phase mit eigenen Regelversatzstücken erweitern, um es spannend zu halten. 

In der Fellowship Phase werden Werte verbessert, Geschichten ausgetauscht und Lieder geschrieben. Magische Gegenstände können erforscht und Nachkommen aufgezogen werden (letztere können im Todesfall die Rolle als neue Abenteurer übernehmen). Außerdem dreht sich in dieser Zeit die Welt weiter und Geschichten darüber, was sich in der großen weiten Welt abspielt, können an die Gruppe herangetragen werden. Dieses kurze Ins-Rampenlicht-rücken der Zeiten zwischen den Abenteuern gefällt mir sehr gut. Die Welt fühlt sich damit größer und wirklicher an. 

Ein langes Kapitel für die Spielleitung geht auf ihre verschiedenen Aufgaben ein und liefert entsprechende Werkzeuge. Natürlich werden Gegenspieler beschrieben. Es gibt nicht viele Arten, aber die wichtigsten sind da: Orks, Warge, Untote und andere. Schätze dürfen natürlich auch nicht fehlen. Der „Shadow“, das Böse in der Welt, kann die Gruppe beinträchtigen. Die Charaktere sammeln Shadow Points, die eine bestimmte Schwelle möglichst nicht überschreiten sollten. Regeln dafür befinden sich ebenfalls in diesem Kapitel, genau wie Tipps für Fehlschläge bei Würfelwürfen und allgemeine Tipps für eine gute Spielleitung. Das ist ein schönes Kapitel.

Die Welt – in diesem Fall Eriador – wird in Kapitel 9 beschrieben. Bree und Umgebung kennt man schon aus der Starter Box. Die einzelnen Landstriche werden knapp und mit ihren Besonderheiten beschrieben. Zufallstabellen greifen Details heraus und ab und zu findet man Werte und Beschreibungen von wichtigen Figuren, die in der Gegend zu finden sind. In den Anhängen – Kapitel 10 – werden abschließend Punkte aufgegriffen, die sonst nirgendwo hinpassten, wie z. B. Patrone oder Nameless Things, uralte Grauen, die sogar älter als Sauron sind. 

Man merkt dem Spiel auf jeder Seite an, wie viel Liebe zu Mittelerde darin steckt. Ob die grafische Darstellung, die verschiedenen Spielphasen, die Auswahl an Ausrüstung oder die Art und Weise, wie Kämpfe gehandhabt werden. Die erste Edition wurde nicht umsonst für seine Liebe zum Detail gefeiert. Natürlich schränkt diese Herangehensweise an das Rollenspielerlebnis auch etwas ein. Es wirkt manchmal doch etwas zu mechanisch und mechanisiert für meinen Geschmack. Wer allerdings eine hervorragende Simulation von Mittelerde sucht, wird mit diesem hübsch gestalteten Buch fündig.

Fazit: Ein hübsches Buch mit viel Liebe zum Detail, das die Stimmung der hobbitschen Reisen nach Mordor gut einfängt. Die Regeln sind gelungen und bieten diverse ungewöhnliche Herangehensweisen. Sie sind nicht kompliziert, aber komplex genug, um auch Fans von Crunch zu genügen. Wer eine Simulation für Mittelerde-Geschichten sucht, wird mit „The One Ring“ absolut fündig.

The One Ring

Grundregelwerk
Francesco Nepitello, Marco Maggi
Free League 2022
ISBN: 978-9-18914-345-6
240 S., Hardcover, englisch
Preis: ca. EUR 50

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]