02.08.19

Nachdruck von Kriegszitterer

Meine erste Abenteuerpublikation wurde nachgedruckt. "Kriegszitterer" ist ein Kurzszenario für "Cthulhu" auf ca. 1,5 Seiten, das 2003 in der legendären Deutschlandbox erschien. Es war meine erste Publikation außerhalb von Zeitschriften. In "Abenteuer aus der Gruft II" wurde es nun nachgedruckt. Meine Bibliographie habe ich eben aktualisiert.

20.07.19

[Rezi] Hexxen 1733 - Das Buch der Regeln


Monster im Barockzeitalter. Der Dreißigjährige Krieg hat nie geendet, weil im Schwarzwald ein Tor zur Hölle geöffnet wurde. Die neuen Gegner der Menschen sind nicht mehr die Menschen selbst. Die neuen Gegner der Menschen sind Gegner des Lebens selbst: Dämonen, Untote und Hexen. "Hexxen 1733" hat es sich auf die Fahne geschrieben, ein actionorientertes Rollenspiel mit einfachen Regeln zu bieten, in dem die Charaktere Monster vermöbeln können. Es gibt schlechtere Prämissen.

Vor vielen, vielen Jahren, bevor Kickstarter zu einem inflationär genutzten Marketinginstrument wurde, schrieb ein talentierter Rollenspielautor namens Mirko Bader ein Rollenspiel und veröffentlichte es kostenlos im Internet. Das Spiel hieß "Hexxen 1730" und ging darum, dass Menschen, die sich selbst als Jäger bezeichnen, Monster im Europa des Jahres 1730 jagen. Der Autor ging anschließend zu Ulisses, und der Verlag beschlossen ein Kickstarterprojekt daraus zu machen. Daraus entstand "Hexxen 1733".

Hübsch ist es geworden, das Regelbuch. Ein grüner Einband mit goldenem Aufdruck. Mir liegt das PDF vor. Das Layout ist gelungen: Gut lesbar, hübsch anzusehen. Die Bebilderung gefällt mir sehr. Sie überträgt die angestrebte Stimmung von Action und barocker Coolness.

In der Einleitung wird dem Leser ein Eindruck vermittelt, was ihn erwartet. Ein actionreiches, „cinematisches“ Spiel soll es sein. Es wird viel gekämpft, und die Realität beugt sich einer Hollywoodrealität, in der coole Aktionen wichtiger sind als langweiliger Realismus. Rasante Monsterjagden in Puderperücke klingen auf jeden Fall spannend. Nach dem Lesen der Regeln bin nicht sicher, inwieweit der immer wieder betonte „cinematische“ Aspekt wirklich an den Spieltisch findet, die Grundlagen dafür sind aber gelegt.

Bevor es zu den Regeln selbst geht, bekommt der Leser einen geschichtlichen Überblick über die 100 Jahre seit das Tor zur Hölle aufgestoßen wurde. Mit 15 Seiten wird der Leser nicht überfrachtet. Der Überblick legt den gut geschriebenen Grundstein und ist als solches vollkommen ausreichend. Es geht ja um Monsterjagden und nicht um eine Geschichtsstunde.

Die Regeln funktionieren mit verschiedenen 6-seitigen Sonderwürfeln. Die meisten Proben werden mit Würfeln gemacht, auf denen zwei verschiedene Symbole sind: zweimal ein Symbol für „Erfolg“ und eines für "Esprit". Die Spieler würfeln eine gewisse Anzahl an Würfeln für ihre Probe und müssen wenigstens einen Erfolg erzielen. Die Espritzeichen können entweder im Verhältnis von 2:1 gegen Erfolge eingetauscht oder für besondere Jägerkräfte eingesetzt werden. Als zweite wichtige Würfelart gibt es die Januswürfel, die auf drei Seiten ein spezielles Janussymbol zeigen. Diese werden zu Proben hinzugenommen, wenn irgendwelche Boni oder Mali ins Spiel kommen. Ein gewürfeltes Symbol wird entweder zu den Erfolgen hinzugezählt oder abgezogen, abhängig davon, ob ein Bonus oder Malus angerechnet wird. Zusätzlich gibt es weitere Sonderwürfel: Segnungswürfel, Blutwürfel und Elixierwürfel. Man mag mir verzeihen, wenn sich bei mir der Eindruck aufdrängt, dass diese große Anzahl an Spezialwürfeln hauptsächlich der Tatsache geschuldet ist, dass sich Sonderwürfel in Kickstartern gut verkaufen. Sie sind durchaus gut in die Regeln integriert, wirken aber teilweise etwas "aufgepfropft".

Charaktere bestehen neben anderen Kleinigkeiten aus Eigenschaften, Fertigkeiten und besonderen Jägerkräften. Letztere hängen von den Rollen ab, die die Spieler für die Charaktere wählen, z. B.: Nahkämpfer, Alchemist, Attentäter usw. Die Rollen sind sozusagen die Charakterklassen, es können allerdings mehrere im Laufe des Jägerlebens gewählt werden. Die Charaktererschaffung ist erfreulich einfach und bietet wegen der verschiedenen Rollen und Jägerkräfte dennoch genug Auswahl. Die spätere Steigerung ist genauso einfach.

Zumindest auf dem Papier wirkt der Kampf nicht unbedingt wie Hollywoodaction. Dazu ist er zu klassisch: Angriff, Schaden, Sonderfähigkeiten. Was er aber ist, ist gut organisiert. Man hat schnell kapiert, wie er funktioniert. Ein paar ziemlich schlaue Ideen machen ihn übersichtlich. Einige der Jägerkräfte zielen speziell darauf ab, andere Jäger zu unterstützen, was zu einer netten Dynamik im Kampf führen könnte. Einige Regeln und Beschreibungen haben sofort meine Ideenmaschine angeworfen, wie spannende Kämpfe aussehen könnten, in denen vielleicht sogar ein wenig gerätselt werden muss (Wie besiegen wir diesen Vampir?).

Die Regeln sind insgesamt auf viele Kämpfe ausgelegt. Es soll Action sein, das steht schon auf dem Klappentext. Sogenannte Coups und Ideen sind Punkte, die von Spieler ausgegeben werden können, um Proben ihrer Jäger zu verbessern. So etwas ist natürlich auch außerhalb des Kampfes interessant. Und wie der Kampf sind auch die restlichen Regeln gut organisiert. Es gibt beispielsweise "Freizeitaktionen", die normalerweise einmal am Tag durchgeführt werden können. Sie werden eingesetzt, um Elixiere zu brauen oder coole Dinge zu konstruieren (vom Alchemisten oder Konstrukteur). Natürlich können sie auch genutzt werden, um Informationen zu sammeln oder sich einfach zu erholen. Bei den Rollen wird angegeben, wie hoch ihr Unterhalt ist. Das ist eine Summe Geld, die regelmäßig ausgegeben werden muss, um den Lebensstil oder teure Materialien, die für ihre besonderen Kräfte benötigt werden, zu bezahlen. Dieser Art klar strukturierte Regeln findet man auch an anderen Stellen im Buch. Fehlen dürfen natürlich auch die Monster nicht. Das Kapitel bietet tolle Ideen, auch wenn es mit 20 Seiten gar nicht mal so lang ist.

All das gemeinsam macht "Hexxen 1733" zu einem runden, hübsch anzusehenden Spiel, das größtenteils tut, was es will. Eine tolle Ergänzung der Rollenspiellandschaft.

Fazit: "Hexxen 1733" ist ein schönes Spiel geworden. Monsterjagden im Barockzeitalter hat man nicht so häufig. Das Regelwerk unterstützt diese Art Spiel auf unterschiedliche Weise. Vielleicht ist es nicht die Art von Hollywoodaction, die man erwartet, aber actionreich ist es allemal. Man benötigt allerdings Sonderwürfel und verschiedene Spielmarker für das Spiel. Mit dem Kauf des Regelwerks ist es also nicht getan.

Hexxen 1733 - Das Buch der Regeln
Grundregelwerk
Mirko Bader
Ulisses Spiele 2018
ISBN: 978-3957529244
258 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

18.07.19

So tief die schwere See - PbtA mit Tiefgang


Ich muss gestehen, als mir "Alas for the Aweful Sea, so lautet der Originaltitel des Spiels, das zurzeit bei System Matters finanziert wird, unter die Augen kam, hat es mich nicht die Bohne interessiert. Das Thema klang zu schwer. Das Layout war auch nicht unbedingt ein Hingucker (oder zumindest nicht genug, dass ich mich genötigt sah, das Spiel näher zu betrachten).


Da ich aber bekanntermaßen ein gutes Verhältnis zu System Matters habe, musste ich es mir dann doch etwas genauer anschauen. Was auf den ersten Blick eher langweilig, schwer und viel zu sehr wie Alltag und Arbeit wirkte, zeigte sich auf den zweiten Blick als ziemlich spannende Angelegenheit. Seeleute reisen von Insel zu Insel und werden dort in Konflikte hineingezogen. Sie verändern damit die Welt. Magie und magische Dinge existieren. Das heißt die Charaktere bewegen sich durch eine Low-Fantasy-Welt, haben einzelne "Missionen" und stoßen auf unterschiedlichste Probleme.


Der kleine Verlag hat außerdem mal wieder richtig gute Arbeit geleistet, was das Aussehen des Buches angeht. Echte, alte, kollorierte Fotos wurden verwendet und in eine Layout gegossen, dass gerade genug blau enthält, um eine maritime Stimmung zu vermitteln. Ich habe netterweise einen Blick in ein nahezu fertiges PDF werfen können und bin wirklich angetan. Die hier abgebildeten Seiten sind von der Verlagsseite übernommen. Dort findet ihr mehr.

Die Vorbestellaktion läuft noch bis 30.7.19. Die Hälfte des Geldes ist zusammen. Wenn ihr wollt, dass das tolle Buch abseits des PDFs Wirklichkeit wird, bestellt es vor.

Vorbestellungsaktion "So tief die schwere See" (bis 30.7.19)

19.05.19

[Rezension] John Carter of Mars (Rollenspiel)


Der Mars, auf dem „John Carter of Mars“ seine Abenteuer erlebt, ist eine fantastische Welt voller Gefahren, Betrug, Ehre, fremder Völker und fieser Monster. Da ist es eigentlich verwunderlich, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, ein Rollenspiel darauf anzusiedeln. Der Verlag Modiphius hat diese Lücke nun geschlossen und ein buntes, aufwändig produziertes Rollenspiel herausgebracht. Es nutzt eine Variante ihres hauseigenen 2W20-Regelsystem. 

Das vollfarbige Regelwerk wird im Querformat geliefert. Mir liegt für die Rezi nur das vom Verlag zur Verfügung gestellte PDF vor, ich kann also nicht beurteilen, wie gut das Format in der Hand liegt. Mein Tablet ist damit jedenfalls gut fertig geworden. Das Cover vermittelt einen guten Eindruck von der Gesamtgestaltung. „Edgar Rice Borroug’s John Carter of Mars“, wie das Regelwerk mit vollem Titel heißt, bemüht sich um einen sehr modernen, dynamischen Stil, der mich besonders bei den großformatigen Bildern an Computerspiele denken lässt. Die Bilder innen sind häufig Ausschnitte, die geschickt an Seitenränder gestellt werden. Bis auf ein paar Ausnahmen gefallen sie mir sehr gut. Die Seiten haben einen sandfarbenen Hintergrund und als zweiter dominanter Farbton kommt ein warmes Dunkelrot dazu, was zusammen sehr gut zu den Beschreibungen des roten Wüstenplaneten Mars passt. Das Layout nutzt das Querformat vorbildlich, um die Übersichtlichkeit jederzeit hochzuhalten. Optisch ist das Buch ein echter Leckerbissen.

John Carter ist in Deutschland vermutlich nur Rollenspielern und anderen Geeks bekannt. Der 2012 erschienene nach dem Titelhelden benannte Disneyfilm dürfte aber zur Bekanntheit ein wenig beigetragen haben. Der erste Roman der Reihe mit dem Titel „A Princess of Mars“ erschien 1917 (Erstveröffentlichung in einer Zeitschrift war laut Wikipedia sogar schon 1912). Darin landet Hauptmann John Carter auf der Flucht vor Apachen in einer Höhle, von der aus er irgendwie auf den Mars transportiert wird. Dort findet er eine Wüstenlandschaft bevölkert von verschiedenen Arten von menschenähnlichen Kulturen vor. Weil die Schwerkraft auf der Erde höher ist als auf dem Mars, hat er besondere Kräfte. Wie es sich für eine derartige Geschichte gehört, verliebt es sich in eine Prinzessin, die wunderschöne Dejah Thoris, die er erst befreit und schließlich heiratet.

Obwohl ich es immer vorhatte, habe ich die Romane von Tarzan-Erfinder E. R. Borroughs nie gelesen. Wie das Rollenspiel aber schnell klarmacht, macht der Autor keine halben Sachen. Sein Held landet nicht nur einfach auf dem Mars, er verändert ihn, verschiebt Grenzen und vernichtet Religionen. Die Geschichte des Planeten wird in drei Zeitalter eingeteilt, die auf die Romane und John Carters Taten zurückgehen. Das Rollenspiel vermittelt einen guten Eindruck von der Faszination von Barsoom und warum die Romane auch nach der langen Zeit immer noch gelesen und geliebt werden. Die Beschreibung der Welt ist vorbildlich. Sie vermittelt die Stimmung, die man mit Abenteuern auf dem roten Planeten hervorrufen möchte, bleibt dabei aber jederzeit übersichtlich. Es gibt viel zu erzählen über die verschiedenen Kulturen, Orte, Leute und Geheimnisse des Mars. Weil all dies aus actionreichen Geschichten entnommen ist, stehen fast immer Konflikte und Handlung im Hintergrund der Beschreibungen. Das macht wirklich Spaß zu lesen. Gemeinsam mit Kreaturen, Geheimissen und wichtigen Persönlichkeiten ist ungefähr die Hälfte des Buches der Beschreibung Barsooms gewidmet.

Aber das heißt natürlich nicht, dass der Rest des Buches vom Mars unberührt bleibt. Die Regeln weisen immer wieder darauf hin, dass sie die pulpige Action der Geschichten einfangen wollen. Die Beschreibung der Völker, Archetypen und sogar der Technik sind ebenfalls tief in den Hintergrund eingebunden.

Die verwendete „Momentum-Variante“ des 2W20-Regelsystems bildet eine gute Grundlage für die Geschichten. Es kommt ohne Fertigkeiten aus. Charaktere werden durch sechs Attribute wie „Cunning“, „Empathy“ oder „Might“ beschrieben, die Werte zwischen 4 und 12 haben können. Natürlich gehört zu einem Charakter das Volk, dem er angehört, außerdem ein Archetyp, ein „Descriptor“ und Talente. Zusätzlich wird der Bekanntheitsgrad und der Ruhm einer Figur durch den Zahlenwert „Renown“ bewertet und natürlich darf auch eine nachteilige Eigenschaft, ein „Flaw“, nicht fehlen. Der Archetyp ist so etwas wie Luftschiff-Offizier oder Assassine, der Descriptor eine herausragende Charaktereigenschaft wie „brillant“ oder „diszipliniert“. Beides trägt nicht nur zur Beschreibung bei, sondern hat natürlich auch regeltechnische Auswirkungen. Bestimmte Attribute werden erhöht und Talente vorgeschlagen. Talente sind besondere Fähigkeiten, die für Boni oder besondere Einsatzmöglichkeiten sorgen. Abgesehen davon, dass man sich bei der Charaktererschaffung durch eine Reihe Talente arbeiten muss, aus denen man auswählen kann, sollte das alles recht schnell vonstattengehen und am Ende einen Charakter liefern, der mehr ist als nur ein paar Werte.

Für Proben werden immer zwei Attribute kombiniert. „Daring“ und „Cunning“ werden beispielsweise für einen Nahkampfangriff benutzt. Der addierte Wert ergibt einen Maximalwurf für zwei bis fünf W20 (meist 2W20, daher der Name des Systems). Jeder Würfel, der den Wert nicht überschreitet, ist ein Erfolg. Wird der niedrigere der beiden einzelnen Attributswerte von einem Würfel nicht überschritten, sind das sogar zwei Erfolge. Die Schwierigkeit einer Probe variiert durch die Anzahl an benötigten Erfolgen.

Der Name „Momentum“ kommt durch einen gleichnamigen Wert, der sich aus übriggebliebenen Erfolgen und anderen Situationen ergibt. Hat jemand bei einer Probe Erfolge übrig, werden diese zu Momentum. Momentum kann z. B. eingesetzt werden, um einen sofortigen Gegenangriff zu starten, sich Würfel dazuzukaufen oder für andere positive Dinge für die Spieler. Momentum kann teilweise aufgehoben werden und bringt Taktik und Dynamik ins Spiel – aber auch Komplexität. Wie gut mir das gefällt, kann ich erst beurteilen, wenn ich Gelegenheit hatte, das Spiel einmal im Spieltisch zu erleben. Auf jeden Fall sorgt es dafür, dass Actionszenen Taktik, Dynamik und ein wenig zusätzliche erzählerische Tiefe hinzugefügt werden. Das ist eine gute Sache, denke ich.

„Renown“ ist ein weiterer Wert, der über die Regeln dafür sorgt, dass die Geschichte nicht statisch wird. Er steht für den Ruhm und Bekanntheitsgrad der Charaktere. Verändert er sich, verändern auch sie sich über die reinen Zahlenwerte hinaus. Die Charaktere erhalten „Renown“, durch Taten, die an die Öffentlichkeit geraten und können es für Verbündete und Titel ausgeben, was ihren politischen Einfluss verändert.

Alles zusammen ergibt ein Regelwerk, das zwar einfach aber nicht simpel ist, angesiedelt in einer dichten, toll beschriebenen Welt, die vom Fantasyeinheitsbrei abweicht, aber dennoch vertraut wirkt. Der „Sweet Spot“ von Einfachheit und Komplexität von Regeln liegt natürlich bei jedem anders. Mir jedenfalls hat die vorliegende Mischung gut gefallen, auch wenn ich noch nicht sicher bin, ob mir das Momentum nicht etwas zu viel Buchhaltung ist. Ganz „nebenbei“ ist das Buch hervorragend organisiert, übersichtlich, leicht verständlich und hübsch anzusehen. „John Carter of Mars“ ist ein tolles Spiel geworden.

Fazit: „Edgar Rice Borroug’s John Carter of Mars“ liefert Action und Intrigen in einer dynamischen Welt. Die Regeln sind einfach gehalten und unterstützen mit ein paar Tricks das gewollte Spielgefühl. Das Buch ist übersichtlich, hübsch und gut geschrieben. Ich habe mich auf dem Mars sofort zu Hause gefühlt.

Edgar Rice Borroug’s John Carter of Mars
Grundregelwerk
Jack Norris, Benn Graybeaton
Modiphius 2018
ISBN: 978-1-912743-11-7
278 S., Hardcover, englisch
Preis: ca. 55 €

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

20.04.19

[Rezension] Malmsturm – Länder des Sturms


"Malmsturm" ist Sword & Sorcery pur. Eine rohe Welt voller wilder Barbaren, eisiger Winterwüsten und uralten Mächten. Die "Länder des Sturms" sind eine Neuauflage der alten Weltbeschreibung, die schon lange ausverkauft ist. Auf fast 500 Seiten bekommt der Leser diese wilde Welt präsentiert. Die Regeln befinden sich in "Malmsturm - Die Fundamente". Der vorliegende, dicke Band enthält zwar ein paar Regeln, doch sind sie wegen der Verwendung von "Fate" sehr deskriptiv und außerdem so wenige, dass das Buch auch mit anderen Regelwerken problemlos einsetzbar ist.

Optisch ist das Buch beeindruckend: dick wie ein Ziegelstein; ein dunkelgrauer, fast schwarzer Einband mit goldgelbem Heavy-Metal-Schriftzug und der blutdurchlaufenen eckigen Malmsturmrune auf dem Cover. Der Goldschnitt, den wir noch beim Vorgänger "Malmsturm - Die Welt" hatten, ist verschwunden. Ich persönlich kann gut ohne leben. Das Papier ist cremeweiß und fasst sich gut an. Gleich vier Lesebändchen zieren das Buch. Und nicht zuletzt sind da natürlich Björn Lensigs Zeichnungen, die groß und großzügig verteilt die Welt in Bilder gießen. Sein rauer Schwarzweißstil passt wunderbar zur wilden Welt von Malmsturm. Man findet viele ganzseitige oder sogar doppelseitige Zeichnungen, was, gepaart mit Lensigs Zeichenstil, einen spannenden Effekt ergibt. Man hat als Betrachter manchmal das Gefühl zu nah dran zu sein, mit dem instinktiven Wunsch, einen Schritt zurückzugehen und sich aus größerer Entfernung einen Überblick zu verschaffen. Das Layout ist hübsch und passend. Schräg stehende Zitate, Überschriften, die neben dem Text stehen und immer wieder Seiten mit weißem Text auf schwarzem Grund unterstützen die Optik, die Lensigs Bilder erzeugen. Anders als "Die Fundamente" ist das Buchinnere komplett schwarzweiß, was ich als Vorteil empfinde, weil es im Vergleich zur teilweise recht dunklen, farbigen Schrift auf schwarzem Hintergrund, die man ab und zu im Regelbuch fand, uneingeschränkt gut lesbar ist.

Die Geschichte der Welt von Malmsturm ist uralt. Sie wird geprägt von Geschichten. Wenn genug Menschen etwas glauben, dann wird es auch wahr. Es gibt Monster und Magie. Die dargestellte Welt ist in drei grobe Gebiete unterteilt: Der Norden beherbergt Barbaren und wilde Stämme, die sich mit Fällen vor Schnee und Sturm schützen. Die Waismark war einst vom Imperium, dem dritten Gebiet, besetzt. Sie spiegelt das von den Römern verlassene Europa unserer Welt wider. Man kann den alten Glanz nur noch erahnen. Das Imperium selbst könnte Rom am Ende seiner Zeit sein, angereichert mit uralter Magie und bösen Priestern, die direkt aus einem Conan-Roman entsprungen sein könnten. Damit ist alles vorhanden, was eine gute Sword-&-Sorcery-Welt benötigt.

Das Buch beginnt mit einem Überblick und einer Erklärung, was Malmsturm auszeichnet. Auf wenigen Seiten gelingt es dem Autor Werner Hartmann eine Grundlage für alles Kommende zu schaffen. Die Zeitrechnung und Maße und Gewichte der verschiedenen Länder werden ebenfalls hier beschrieben. Ich habe nie den Drang verstanden, die Kalender, Namen von Wochentagen oder Maßeinheiten in Fantasywelten zu verändern. Der Erdenkalender funktioniert doch recht gut und Meter und Kilogramm vermitteln sofort wie weit entfernt oder schwer etwas ist. Wer mehr "Stimmung" in seine Zahlen bringen möchte, soll von mir aus auf Maßeinheiten wie Fuß, Pfund und Ellen zurückgreifen. Auch damit kann eigentlich jeder etwas anfangen. Auf der anderen Seite kann ich mir unter einer "Kappe" (ca. 400 ml) oder einem "Lauf" (ca. 500 m) nichts vorstellen und weiß auch nicht, ob der Monat "Ventos" nun im Winter oder im Sommer liegt. Nun gut, wer so etwas mag, findet hier jedenfalls eine gute und kurze Übersicht.

Den Großteil des Buches machen die Beschreibungen der drei große Gebiete aus, ihrer Völker, Geschichten und Geschichte, Regionen und Religionen. Hartmann liefert einen stimmungsvollen und schön lesbaren Text. Auch wenn der eine oder andere Satz etwas zu schwurbelig ist, zu sehr angereichert mit Beispielen, Namen und Details, sodass das Auge gern mal die Zeile verliert, macht es Spaß die Beschreibungen zu lesen. Man fühlt die Kälte des Nordens, erlebt die Dunkelheit der Höhlen und riecht die Gerüche der Märkte. Abenteuer drängen sich geradezu auf. Angereichert wird der Text durch massenweise Zitate, die eine subjektive Sicht der Dinge liefern.

Die letzten knapp 150 Seiten des Buches sind kleineren Kapitel gewidmet. Auf knapp 20 Seiten wird der "Rest der Welt" beschrieben. Neben den vielen Geschichten und Mythen, die Malmsturm ausmachen, gibt es natürlich auch ein paar Wahrheiten über die Vergangenheit der Welt. Diese findet der Leser im passenden, kurzen Kapitel - immer mit der Option sie zu ignorieren und sich eigene Wahrheiten auszudenken. Das Bestiarium ist kürzer als in "Die Welt", denn die generischen Monster sind zu Gunsten von einzigartigen Wesenheiten verschwunden. Zukünftige Bände sollen immer ihr eigenes Monsterkapitel enthalten. Bleibt neben den Anhängen das Kapitel "Alte Augen", in dem verschiedene Versionen eines Mannes oder einer Frau beschrieben werden, dessen Legende in jedem Teil der Welt vorkommt: Ein vielleicht unsterblicher Reisender, der auf der Suche nach irgendetwas durch die Lande zieht. Die einzige Gemeinsamkeit, die diese Personen haben sind ihre uralten Augen. Welche Beziehung der Wanderer zu dem gehörnten Dämon hat, der allgemein als der "Kaiser" bekannt ist, und ob die beiden vielleicht sogar ein und dasselbe Wesen sind, darin sind sich die Geschichten nicht einig. Dinge wie dieser Wanderer sind es, die Malmsturm zu etwas Besonderem machen.

Einziges Manko des Buches ist die Übersichtlichkeit. Das Layout macht es nicht leicht, auf die Schnelle "große" von "kleinen" Überschriften zu unterscheiden, und Hartmanns Schreibe erzeugt zwar viel Stimmung, will man jedoch einen Text nur kurz auf der Suche nach einer Info überfliegen, hat man es schwer. Um sich einen Überblick über die Völker und Gegenden zu verschaffen, muss man eine Menge Text lesen. Das Vorhandensein von einer aussagekräftigen Kopfzeile, die Wahl der Überschriften und die Gliederung des Buches sind aber vorbildlich. Und Heavy Metal will schließlich auch nicht übersichtlich sein, sondern emotional und brachial. Genau wie die Heavy-Metal-Songs, die in der Fußzeile jeder Seite mit Band- und Albumnamen gelistet sind, will Malmsturm eine gewisse Stimmung erzeugen, Emotionen wecken und Geschichten erzählen. Und das gelingt.

Fazit: Malmsturm ist ein dicker Band mit einer stimmungsvollen und ideenreichen Sword-&-Sorcery-Welt voller mächtiger Magie, uralter Legenden und emotionaler Geschichten. Wer es barbarisch, wild und dunkel mag, kommt voll auf seine Kosten. Das Buch ist hübsch, stabil, und es macht Spaß es zu lesen. Volle Kaufempfehlung an alle, die Conan für zu lasch und Fafhrd für ein Weichei halten.

Malmsturm – Länder des Sturms
Quellenbuch
Werner H. Hartmann, Bjorn Beckert
Uhrwerk Verlag 2008
ISBN: 978-3-95867-149-2
480 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.] 

30.03.19

Wie schreibt man ein Abenteuer?

Auf meinem eigenen Blog habe ich noch gar nichts dazu geschrieben ... eine Schande.

Bis morgen läuft noch die Vorbestellaktion von "Abenteuer gestalten" beim System Matters Verlag. Ich habe lange an dem Buch gearbeitet und so viele verschiedene Techniken zur Abenteuergestaltung wie möglich hineingepackt. Ich denke, da ist Einiges an Informationen zusammengekommen, und auch "alte Hasen" sollten das eine oder andere finden, das ihnen noch nicht bekannt war.

Daniel und ich haben bisher drei Folgen des System-Matters-Podcasts dem Thema "Abenteuer gestalten" gewidmet. Nur ein Beitrag dreht sich komplett um das Buch, die anderen beiden greifen bestimmte Themenbereiche auf, über die wir uns unterhalten. Sie sind ganz allgemein nutzbar, wenn man sich für das Thema interessiert. Weitere Folgen sind in Arbeit. Eine Folge mit dem Thema "Wo kommen die Ideen her?" (auch ein großes Kapitel im Buch) muss nur noch geschnitten werden.

Abenteuer gestalten:

Folge 1: Buchvorstellung
Folge 2: Detektivabenteuer
Folge 3: Die Action-Hinweis-Methode
Folge 4: Wo kommen die Ideen her (noch nicht online)

Außerdem haben wir mit Christoph Maser zusammen über Abenteuerklassiker gesprochen, warum sie gut sind, was man von ihnen lernen kann usw.

Abenteuer erforschen:

Folge 1: Zorn des Bären (DSA)
Folge 2: Das knarrende und windschiefe Haus (Cthulhu)
Folge 3: Die drei Leben des Bill Toge

27.01.19

[Rezension] Chop-Shao Double Feature

Das “Chop-Shao Double Feature” enthält zwei fertige Abenteuer für das Rollenspiel “New Hong Kong Story”. Beide sollten einen längeren Spielabend füllen und werden mit einer Ausstattung geliefert, die sich wirklich sehen lassen kann.

Das RPG “New Hong Kong Story” (NHKS) habe ich vor kurzem besprochen. Es liefert alles, was man braucht, um Hongkong-Actionfilme spielen zu können. Das Regelwerk ist gut gelungen. Wie so häufig wird die eigentliche Qualität eines Rollenspielprodukts aber nicht nur vom Grundregelwerk selbst bestimmt, sondern vom Zubehör. Und da kann sich das vorliegende Double Feature wirklich sehen lassen.

Die Abenteuer werden als kleines eingeschweißtes Paket geliefert. Oben auf liegen zwei echte Essstäbchen in Tasty-Tiger-Noodles-Papierhülle passend zum ersten Abenteuer. Der Abenteuertext und alle Charakterbögen befinden sich in einem DIN-A5-Ringbuch. Ein Ringbuch ist wirklich praktisch. Nicht nur kann man die Bögen für die Filmrollen leicht heraustrennen, es lässt sich am Spieltisch leicht handhaben. Darunter findet der Käufer eine kleine mit einem Gummi verschlossene Mappe, die prallgefüllt mit Material ist. Leider ist die Mappe nach unten hin offen, sodass der Inhalt relativ leicht herausrutscht; passt man aber ein wenig auf, sollte das Gummi alles zusammenhalten. Der Inhalt der Mappe besteht aus 10 gefalteten DIN-A3-Karten mit Abenteuerorten (9 Orte insgesamt, weil einer davon auf zwei Blättern dargestellt wird). Die Karten sind hübsch und übersichtlich. Ein DIN-A5-Bogen liefert Counter zum Ausschneiden. Zwei kleine verschließbare Plastikbeutel sind ebenfalls im Paket, damit die ausgeschnittenen Counter verstaut werden können. 16 farbige Polaroidbilder stellen die wichtigen NSC dar. Als letztes findet der neugierige Käufer eine Visitenkarte und eine Floppy-Disk aus Pappe.

Die beiden Abenteuer sind zwei “Kurzfilme” und sollten an einem oder zwei Abenden spielbar sein. Der erste Film heißt “Chopsticks und Dropkicks” und ist im Stil einer Mo-Lei-Tau-Komödie. Mir persönlich sagt das gar nichts, laut Beschreibung bedeutet das aber hektische Handlung, bizarre Situationen und absurde Charaktere gepaart mit Slapstick und Situationskomik. Die Charaktere sind Mitarbeiter oder Gäste von Tasty Tiger Noodles, einem Restaurant. Im Restaurant soll eines abends ein zwielichtiges Geschäft abgeschlossen werden. Doch durch ein Missverständnis kommt es zu einer großen Schlacht, die einen Großteil der Räumlichkeiten in Schutt und Asche legt (jedenfalls wenn der Spielleiter alles richtig macht). Die drei Seiten lange Beschreibung des Restaurants bezieht sich hauptsächlich darauf, was alles im Kampf benutzt werden kann. Das ist die einzige Stelle des Buchs, die ich mir anders gewünscht hätte. Spiegelstrichlisten oder Hinweise auf der Karte wären hilfreicher gewesen als ein Fließtext. Sie Szene selbst ist jedoch gut gelungen. Dem Spielleiter wird nicht hineingeredet, wie er sie gestalten soll. Er bekommt die Situation, den Auslöser und die Mitwirkenden. Wie der Kampf abläuft wird ihm und den Spielern überlassen. Nur ein paar Details, wie das „Ergebnis“ des Kampfes aussehen sollte, sind angegeben.

Das ist der Stil des gesamten Buchs. Die Abenteuer kommen auf den Punkt und faseln nicht herum. Stimmungsbeschreibungen, lange Anweisungen an den Spielleiter oder Hintergrunddetails, die dann doch nicht im Abenteuer auftauchen, gibt es nicht. Der eigentliche Abenteuertext ist nur je 15 Seiten. Das ist schnell gelesen, und wenn der Spielleiter ein wenig Erfahrung mitbringt, ebenso schnell vorbereitet.

Ein zurückgelassener Hinweis führt die Charaktere in ein Hotel, wo es zur nächsten Action kommt. Die Schlussszene spielt in der Zentrale einer großen Firma. Das war es auch schon. Wie man erahnen kann, ist die Handlung recht gradlinig. Für einen derartigen Actionfilm ist aber auch nichts anderes zu erwarten. Die mittlere Szene (hier möchte ich nicht zu viel verraten) würde sich in meinen Runden vermutlich anders gestalten, als beschrieben. Doch zum Glück tut eine entsprechende Änderung dem Abenteuer keinen Abbruch. Es geht auch anders weiter. Hat die Gruppe im Kopf, dass es hier um eine bizarre Komödie handeln soll und hat Spaß an Szenendarstellung und dem Einbau von Slapsticksequenzen dürfte das Abenteuer ein Riesenspaß werden.

An den Abenteuertext schließt sich ein fast 30 Seiten langer Teil mit Charakterbögen an. Es sind die Bögen der Filmrollen, Bögen, auf denen die namenlosen Kampfgegner verwaltet werden können und Bögen der wichtigen NSCs. Auf den letzten fünf Blättern werden die Bögen der SC sogar noch einmal wiederholt. Die Rückseiten sind leer, sodass sie herausgetrennt und den Spielern gegeben werden können.

Der zweite Film heißt „37th Chamber of Shaolin“. Der Aufbau ist der gleiche wie von „Chopsticks“, thematisch liegt er aber ganz anders. Martial-Art-Choreografien stehen im Vordergrund. Typische Action-Stunts und Humor stehen eher im Hintergrund.

Die Charaktere sind Mitglieder einer Kung-Fu-Schule. Diese wird überfallen und ihr Meister getötet. Um ihn zu rächen, müssen sie sich auf eine weite Reise machen. Am Ziel der Reise angekommen, müssen sie sich einem gefährlichen Widersacher stellen und zum Schluss ein oder mehrere schwierige Prüfungen bestehen, um das Rätsel des „37th Chamber of Shaolin“ zu lösen.

Die Kämpfe, die Reise und der Showdown des Abenteuers sind gut gelungen. Die eigentliche Gestaltung der Actionszenen bleibt auch hier dem Spielleiter überlassen. Die Karten geben die Grundlage. Ich sehe das eindeutig als Vorteil, denn solch groß angelegten Kampfszenen sollten nicht gescriptet sein. Kreativität und Spannung können sich so freier entfalten. Wenn die Spieler Spaß daran haben, Martial-Arts-Sequenzen zu beschreiben und auszuspielen, dürfte auch dieses Abenteuer ein großes Vergnügen werden. Vor allem der aufwändige Schlusskampf, der sich durch einen kompletten vierstöckigen Turm zieht, macht einiges her.

Fazit: Ich bin begeistert. Meiner Meinung nach ist dieses „Double Feature“ die bestmögliche Weise, Abenteuer für „New Hong Kong Story“ zu präsentieren. Die Liebe zum Thema und das Hintergrundwissen des Autors ist auf jeder Seite zu spüren. Die Art und Menge der Ausstattung sind selten zu finden und fast schon allein den Kaufpreis wert. Ich habe jedenfalls den Drang, sofort eine Runde zusammenzutrommeln und loszuspielen.

Chop-Shao Double Feature
Abenteuer
Michael Mohsburger
Black Mask (Eigenverlag), 2018
ISBN: keine
88 S. + div. Zusatzmaterialien, Ringbindung + Mappe, deutsch
Preis: EUR 20

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

23.01.19

[Rezension] New Hong Kong Story

„New Hong Kong Story“ ist ein Rollenspielregelwerk, mit dem man Hong-Kong-Action-Filme spielen kann. Es ist eine Indie-Produktion von einem echten Fan und bietet alles, was man braucht, um die Fäuste, Schwerter oder Kugeln fliegen zu lassen.

Hong-Kong-Action ist ein wenig beackertes Feld im Rollenspiel. „New Hong Kong Story“ (im Folgenden NHKS) bietet einen interessanten Ansatz für Fans des Genres - oder ganz generell Fans von Rollenspielen mit überbordender Action. Die Spieler spielen Schauspieler, die dann wiederum Rollen in Filmen übernehmen. Die Filme sind die Abenteuer. Das Ergebnis ist eine Kampagne mit viel Abwechslung - können die Spieler doch alles von knallharter Gangster-Action bis hin zu Wuxia-Fantasy erleben -, die dennoch eine Charakterentwicklung ermöglicht, auch wenn diese zugegebenermaßen etwas anders ausfällt, als man es von anderen Spielen gewohnt ist.

Zunächst erschaffen die Spieler die Schauspieler, die in zukünftigen Filmen mitwirken sollen. Sie sind Neulinge auf dem Gebiet und ihr Martial-Arts-Können befindet sich noch im Anfangsstadium. Die Schauspieler liefern die Grundlage: Kampfkünste, grundlegende Fertigkeiten und Besonderheiten und Marotten (Vor- und Nachteile). Der Spielleiter entwirft für seinen Film Rollen, die diese Grundeigenschaften ergänzen. Bestimmte Fertigkeiten kommen dazu oder werden erhöht. Vielleicht hat die Rolle zusätzliche Vor- oder Nachteile. Die Rollen werden zu Beginn des Spiels verteilt. Falls sich die Spieler nicht einigen können, gibt es ein Bietsystem für die Verteilung.

Die Regeln unterstützen dieses Spiel im Spiel nicht nur durch passend gewählte Beispiele, sondern auch durch passende Mechanismen. Die Charaktere sammeln während ihrer Karriere beispielsweise Starruhmpunkte (Erfahrungspunkte), was ihre Berühmtheit und ihr Können widerspiegelt. Denken sich die Spieler besonders abgefahrene Stunts aus, sind diese zwar schwieriger durchzuführen, belohnen den Schauspieler aber bei Gelingen mit zusätzlichen Starruhmpunkten. Der Text macht hauptsächlich in den vielen Beispielen klar, dass die Gruppe nie vergessen soll, dass sie in einem Film ist. Als netter Nebeneffekt ist sogar der Charaktertod kein Problem. Der Schauspieler lebt ja weiter und kann im nächsten Film wie gewohnt Hintern versohlen.

Das Regelsystem ist ein robustes, funktionales, auf Einfachheit und Genreemulation ausgelegtes 90er-Jahre-Design. Es gibt Attribute und Fertigkeiten. Es gibt Vor- und Nachteile, wobei Nachteile Punkte bringen, die wiederum für positive Dinge ausgegeben werden können. Handlungen, die schwieriger durchzuführen sind, bekommen Mali. Das widerspricht vielen modernen Regelwerken, die sich im Action- und Film-Genre bewegen. Ich hätte erwartet, dass coolere Beschreibungen Vorteile bringen statt Mali, wie es beispielsweise in „7te See Second Edition“ geregelt ist. Nachdem sich die Überraschung gelegt hatte, begann ich aber den Sinn dahinter zu sehen. Statt sich auf irgendwann ermüdende Beschreibungen von möglichst viel Coolness zu verlassen, werden hier taktische Entscheidungen getroffen. Die Stunt-Mechanik unterstützt das zusätzlich.

Besonderes Augenmerk wird erwartungsgemäß auf verschiedene Martial-Arts-Stile gelegt. Der Schauspieler erlernt verschiedene Stile. Sein Können wird durch insgesamt sechs Stufen beschrieben, die er in jedem Stil erreichen kann. Mit jeder Stufe beherrscht er mehr und mächtigere Techniken. Die Beschreibungen sind gut gelungen. Ich habe keine Ahnung von Kung Fu und dennoch konnte mir der Text vermitteln, wie die Anwendung der Stile im Film ungefähr aussehen müsste.

Auf keinem neuen Rollenspielregelwerk darf der Hinweis fehlen, dass es einfach und unkompliziert ist. So wird natürlich auch hier im Klappentext auf eben diesen Umstand hingewiesen. Auch wenn viele Dinge in Hinblick auf Einfachheit designt wurden, gelingt das aber nicht überall. Es gibt beispielsweise einen ganzen Haufen Punkte zu verwalten. Starruhmpunkte spiegeln die Erfahrung wider. Chi-Punkte sind die Energie, die die besonderen Kräfte der Rollen und der Schauspieler speisen. Sie werden beispielsweise ausgegeben, um Kampfkunsttechniken anzuwenden. (Noch so ein klassischer Fall von 90er-Jahre-Design. Wenn die Punkte verbraucht sind, kann der Schauspieler im Film nicht mehr cool sein. Auf der anderen Seite bringen sie ein taktisches Element ins Spiel, was ich persönlich begrüße.) Trefferpunkte werden durch Schaden reduziert. Mit Take-2-Punkten können Proben wiederholt werden und Award-Punkte weisen auf Film-Awards hin. Schlussendlich verteilt der Spielleiter Cine-Punkte während des Filmdrehs, die angeben, wie viel Ruhm sich der Schauspieler mit coolen Stunts und markigen Sprüchen erspielen konnte. Das ist dann doch etwas zu viel Verwaltungsarbeit, zumal die Punkteanzahl von Treffer- oder Chi-Punkten auch durchaus dreistellig werden kann.

An anderen (zum Glück wenigen) Stellen wird der Spielleiter allein gelassen. Über daoistische Magie hätte ich beispielsweise gern mehr gelesen als die vorliegende eine Textspalte. Bis auf ein paar Kleinigkeiten ist es am Spielleiter zu entscheiden, was die Rolle damit anfangen kann. Für die Handhabung von Patzern bei Stunts sind mir die Hinweise ebenfalls zu vage. Generell habe ich nichts dagegen, wenn ich als Spielleiter Entscheidungen treffen soll. Meist bedeutet das nur, dass ich eine Tabelle weniger beachten muss und die Entscheidung treffen kann, die mir am sinnvollsten erscheint. Dennoch hätte ich beispielsweise gern so etwas wie das „Fail-Forward“- oder ein anderes Konzept gesehen, das sich mit dem Scheitern der Film-Protagonisten beschäftigt.

Auch wenn ich das Design stellenweise etwas altbacken finde, mag ich es. Es ist konsequent und „rund“. Die kleinen Lücken, die sich hier und da auftun, werden locker durch die Liebe zum Genre wettgemacht, die aus jeder Seite tropft. Immer wieder gibt es kleine Fußnoten mit Informationen für den Filmfan. Ein langer Anhang beschreibt viele Filme. Die Spielleitertipps sind passend. Es gibt Namenslisten für viele (hauptsächlich asiatische) Nationen. Die vielen Beispiele untermauern anschaulich, wie sich NHKS-Erfinder Christian Blaßmann ein Spiel vorstellt.

Das Softcover ist von guter Digitaldruckqualität. Die Illustrationen sind größtenteils extrem flächige Schwarzweißzeichnungen - fast schon Schattenrisse. Farbe ist vorhanden, aber extrem selten. Das Layout ist übersichtlich und funktional. Für ein Hobbyprodukt dieser Art gibt es an der Gestaltung nichts auszusetzen, auch wenn das Buch sicherlich keine Auszeichnungen für sein Aussehen gewinnen wird. Der Preis von 25 Euro ist für ein komplettes, über 300 Seiten umfassendes Regelwerk ebenfalls gut. Aktuell gibt es zusätzlich für 35 Euro eine Spezialausgabe, die in alter chinesischer Manier gebunden ist, und wer Glück hat kann vielleicht noch eine der auf 50 Stück limitierten, handgebundenen Spezialausgabe mit besonderem Papier ergattern, die allerdings so gut wie ausverkauft und nur noch auf Messen erhältlich ist.

Fazit: Ich mag „New Hong Kong Story“. Das Spiel hat Flair und man merkt den Machern die Liebe zum Genre an. Das Konzept des Filmdrehs findet man selten und bringt sicherlich viel Spaß. Die Regeln sind vielleicht nicht modern, wer aber wie ich sehr viel Spielzeit in den 90er Jahren verbracht hat, wird sich sofort heimisch fühlen. Die Konzepte sind aufeinander abgestimmt, nicht zu kompliziert und sollten auch längeren Kampagnen standhalten.

New Hong Kong Story
Grundregelwerk
Christian Blaßmann, Elfi Heck, Bradly Deng
Black Mask (Eigenverlag), 2018
ISBN: keine
334 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 25 (bzw. EUR 35 für die Spezialausgabe)

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]