15.04.16

Diskussionsergebnisse von "Wann ist kurz zu kurz?"

Mein letzter Post hat eine kleine Diskussion angeregt. Ein paar interessante Punkte, die angesprochen wurden, sind (von mir ergänzt):
  • Man sollte Abenteuer/Regelwerke so strukturieren, dass man sie häppchenweise lesen und trotzdem benutzen kann.
  • Die Länge eines Textes ist nicht so wichtig, wenn es Spaß macht, ihn zu lesen. Was einen Text lesenswert macht, ist dabei eine andere, komplexere Thematik. Und bevor jemand fragt: Nein, es sind keine "stimmungsvollen" Hintergrundbeschreibungen mit vielen Adjektiven.
  • Abenteuer von nur ein bis drei Seiten sind vielen Kommentierern zu wenig gehaltvoll.
  • Acht bis zwanzig Seiten Abenteuer für einen Spielabend scheinen eine beliebte Länge zu sein. Für einen Spielabend würde ich vier bis acht Stunden ansetzen. 
  • Keine Blätterei in verschiedenen Büchern. Es sollte alles im Abenteuer sein, was man braucht. Kein Nachschlagen im Monsterhandbuch. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dieser Punkt manchmal aus finanziellen Gründen ignoriert wird. Redundanzen treiben die Seitenzahl und damit den Preis eines Produktes nach oben. Da man vor dem Kauf häufig schlecht beurteilen kann, ob man ein gut strukturiertes teures oder ein schlecht strukturiertes teures Produkt kauft, kann das durchaus ein Problem sein.
  • Struktur ist alles! 
  • Einmal wurden Spiegelstrichlisten erwähnt (Zitat: "Bulletpoints rule!"). Ich möchte hinzufügen: Bitte mit ganzen Sätzen. Reine Stichwortlisten sind furchtbar.
Insgesamt also eigentlich kein überraschendes Ergebnis mit ein paar erhellenden Details. Natürlich alles nicht repräsentativ.

Es wurde diverse positive Beispiele für gut strukturierte Abenteuer genannt (das System in Klammern):
  • Schnellschüsse (Unknown Armies)
  • Unheil über Arivor (DSA)
  • Falkengrunds letzte Hoffnung (Pathfinder) - Ich meine, das gibt es irgendwo kostenlos als PDF.
  • Ylraphon (wahrscheinlich DSA, im Fanzine Black Leaf)
  • Eternal Lies (Trail of Cthulhu) - 400-Seiten-Kampagne!
  • Servants of the Cinder Queen (Dungeon World)
  • Die Gewinner der verschiedenen WOPCs als Beispiele, was man alles auf einer Seite unterbringen kann.
  • Die Abenteuer von Marvel Heroic Roleplaying
  • Die Heldenwerk-Reihe von DSA
Robert Schwalb setzt für sein Shadow of the Demon Lord eine Seite pro Stunde Spiel an. Ich persönlich halte das für etwas zu wenig. Ein bis maximal drei Seiten pro Stunde Spiel wäre meine persönliche Wohlfühlzone. Damit liege ich anscheinend im Schnitt.

Da mich als Abenteuerautor das Thema natürlich besonders interessiert, haben Daniel und ich gestern eine lange Diskussion darüber geführt. Zu dem Thema gibt es also demnächst noch mehr von uns.

13.04.16

Wann ist kurz 'zu kurz'?

Ein Denkanstoß.

Kurz ist 'in'.

Ich weiß gar nicht, wie häufig ich in den letzten Monaten gehört habe: "Diese oder jene Abenteuer/Produkte sind Mist. Sie sind zu lang und nicht gut strukturiert. Ich habe keine Zeit, um mich durch 30 Seiten Abenteuer zu arbeiten, wenn ich mal wieder etwas leiten will."

Die Tendenz ist klar. Wir werden älter und haben mehr Verpflichtungen. Familie, Arbeit, Sport und andere Aktivitäten müssen irgendwie in den Alltag gepresst werden. Wer hat da noch Zeit für Regelwerke mit 500 Seiten und Abenteuer mit 50?

Der Ansatz schlägt sich inzwischen auch in vielen Rollenspielprodukten nieder. Savage Worlds war ein wichtiger Vorreiter. Die Regeln sind schnell (auch schnell zu erlernen) und das Konzept der Plot-Point-Kampagnen ermöglicht es dem Spielleiter mit relativ wenig Arbeit, einen Spielabend zu meistern (DSA-Wortspiel). Numenera behauptet von sich einfach und schnell zu sein. Tales of Demon Lord (demnächst auf deutsch von System Matters) bietet ebenfalls Regeln, die relativ einfach sind, und Abenteuer, die meist zwischen sechs und acht Seiten lang sind. Eine Kampagne dauert nur drei bis vier Monate und ein Stufenanstieg geht so schnell wie noch nie zurvor. Ein wichtiger Teil des Reizes der Old-School-Systeme (und Klone) kommt ebenfalls aus dieser Ecke.

Doch wann wird kurz zu kurz? Sehr häufig, wenn ich mir z. B. Savage-Worlds-Abenteuer angucke, reichen mir die einfach nicht aus. Ich finde es toll, wenn eine Savage Tale nur vier Seiten lang ist und ich mit einer Viertelstunde Vorbereitung loszocken kann. Aber viel zu häufig ist dieses "Abenteuer" dann nichts als: "Geht zu einen bestimmten Ort und tötet das Monster." Ich kann mit so einem Abenteuer viel Spaß haben, wenn die Gruppe gut drauf ist und sich mit Charakterdarstellung ablenkt und wenn auch sonst alles passt. Will ich aber ein zweites oder drittes Mal in dieser Konstellation spielen, ist das einfach zu wenig. Mit vielen Regelwerken, besonders aus der Hobby-Ecke, geht mir das genauso. Into the Odd finde ich großartig - für ein bis drei Spielabende. Dann brauche ich etwas mehr. Auch bei dem von mir gerade übersetzten 1 Pot RPG müsste ich mir Tricks ausdenken, wie ich das Interesse hochhalte.

Auf der anderen Seite sind die längeren Produkte. Für etwas komplexere Sachverhalte - die Abenteuer mit etwas mehr als "Da ein Monster! Ende." nun einmal sind - braucht man Worte, um sie zu erklären. Was wiederum bedeutet, dass wir die Worte auch lesen müssen.

Bleibt das Informationsdesign. Selbst die besten Lehrbücher sind ganze Bücher voll Text. Sie bieten Abschlussfragen, Stichwortsammlungen, erklärende Icons, Schaubilder und Fließdiagramme. Sie fassen sich möglichst kurz und bieten Listen statt Fließtext, wenn es nötig erscheint. Dennoch müssen wir sie lesen. Und wir müssen sie noch einmal lesen, wenn wir die Informationen verinnerlichen wollen, um sie zu benutzen. Wahrscheinlich müssen wir Teile davon sogar aktiv auswendig lernen.

Keine Frage, viele publizierte Abenteuer liefern zu viel Text. Ebenso gibt es genügend Beispiele, die einfach schlecht strukturiert sind. Ich bemerke aber die Tendenz, dass viele Abenteuer als schlecht eingestuft werden, nur weil sie eine gewissen Seitenzahl überschreiten, oder der Leser sie ein zweites Mal lesen müsste, um sie vernünftig zu leiten. Wie es besser sein könnte, wird zwar häufig beschrieben, aber ich behaupte, dass es da viele Fehleinschätzungen gibt. Als Allheilmittel werden manchmal Spiegelstrichlisten mit Stichworten angepriesen. Versucht so eine Liste mal zu lesen und zu begreifen, vielleicht seid ihr dann anderer Meinung.

Natürlich verläuft die Grenze zwischen 'zu lang' und 'zu kurz' bei jedem anders, deshalb kann dieser Artikel nicht mehr als ein Denkanstoß sein.

Mich würde trotzdem interessieren: Was ist für euch 'zu kurz'? Was ist 'zu lang'? Und welche vorbildlichen Beispiele kennt ihr?

Meine Beispiele für gutes Informationsdesign wären: Trail-of-Cthulhu-Abenteuer, Ptolus.
Regelwerke mit der richtigen Länge: Dungeonslayers, Cthulhu 7
Abenteuer in der richtigen Länge: Viele der Tales-of-the-Demon-Lord-Abenteuer, viele Dungeon-Crawl-Classics-Abenteuer, viele der längeren Savage-Worlds-Abenteuer (wie sie z. B. mit den diversen Sichtschirmen ausgeliefert werden), Trail-of-Cthulhu-Abenteuer

08.04.16

Cthulhu 7 ist cooler, als ich dachte

Es gibt doch bestimmt irgendwo eine Schreibregel, die besagt, dass man das Fazit nicht in die Überschrift packen soll. Egal.

Da ich mit meiner Gruppe ein halbes Jahr Cthulhu spielen werde (sieben längere Spielabende, wenn alles klappt), habe ich mich etwas genauer mit der neuen Edition befasst. Ich hatte mir bereits ein paar Rezis und Videos zum Thema angeschaut. Die dort erwähnten Neuerung sind alle gut und richtig, können aber zwangsläufig nicht auf Details eingehen. Wie ich jetzt feststelle, sind es aber die Details, die die neue Edition gut machen.

Wer die Rezis kennt oder die empfehlenswerten Schnellstartregeln gelesen hat, kann den bräunlichen Text überspringen.

Cthulhu sollte mordernisiert werden, ohne eine Abwärtskompatibilität zu gefährden. 30 Jahre an Rollenspielmaterial, häufig liebevoll in den Regalen von Sammlern gehortet, sollten nicht ihren Wert verlieren. Das ist gelungen, auch wenn die Neuerungen einigen Kritikern erwartungsgemäß nicht weit genug gehen. 

Ein wichtiger Kritikpunkt war, dass die Attribute in einer Skala von 3 bis 18 waren, alles andere in einer Prozentskala. Ich habe diese Kritik immer für Quatsch gehalten, geboren aus irgendwelchen theoretischen Überlegungen, die am Tisch wenig Bestand haben. Die Methode, Attributswerte für Proben einfach mit 1 bis 5 zu multiplizieren, fand ich einleuchtend und praktisch. Aber Multiplikationen sind ja ebenfalls verpönt. Cthulhu 7 arbeitet endlich mit Attributen in Prozenskala. Es sind einfach die alten Werte mit 5 multipliziert. 

Alle Fertigkeits- und Attributswerte werden in drei Stufen auf dem Bogen notiert: der eigentliche Wert, der halbierte Wert für schwierige Proben und ein Fünftel des Wertes für extreme Proben. Damit wurde etwas auf den Charakterbogen aufgenommen, das schon immer existiert hat, früher waren es nur schwere Proben und kritische Erfolge. Die drei Werte werden jetzt allerdings gewinnbringend ins Regelwerk eingebaut, vor allem im Kampf.

Man kann Proben forcieren, d. h. wenn eine Probe misslingt, kann der Spieler beschreiben, wie er es nochmal versucht. Der Spielleiter legt dann eine Konsequenz fest, wenn es dieses Mal wieder nicht klappt, die schwerwiegender sind als ein "normales" Scheitern. Außerdem gibt es Bonus- und Malus-Würfel, die unter bestimmten Umständen eingesetzt werden, meist wenn es um vergleichende Proben oder Kampf geht.

Ein von Mana unabhängiger Glückswert ist ebenfalls neu. Er ist eine Ressource, die verbraucht werden kann, um gescheiterte Proben nachträglich doch noch zum Erfolg zu bringen (ohne sie zu forcieren).

Das sind mehr oder weniger die augenfälligsten Änderungen. Ein neuer Wert "Statur" kommt dazu, der aber nur selten zum Einsatz kommt. Und natürlich wurde die Anzahl der auf dem Charakterbogen notierten Fertigkeiten verkleinert. Abgesehen davon, dass es jetzt Kampffertigkeiten nach Waffengruppen gibt und nicht mehr für jede Waffe einzeln, ist das aber nur ein kosmetischer Eingriff. Statt Anthropologie 50 % steht jetzt halt Wissenschaft (Anthropologie) 50 % auf dem Bogen und wird als Spezialisierung gehandhabt. 

Nun zu den Details, die mir so gut gefallen. Die drei Stufen an Fertigkeiten werden wirklich gut eingesetzt. Will man zum Beispiel eine vergleichende Probe ausführen, sagen wir, Verborgen bleiben gegen Verborgenes Erkennen des Gegners, würfelt nur der Spieler. Hat der Gegner einen Wert von max. 49 %, würfelt er eine normale Probe, bei einem Wert von 50 % oder mehr würfelt er eine schwierige Probe und bei 90 % oder mehr eine extreme. Auch im Kampf kommen die drei Stufen immer wieder zum Einsatz. Will eine angegriffene Person nur Ausweichen, reicht die gleiche Erfolgsstufe wie die des Angreifers, um allem Schaden zu entgehen. Will sie allerdings einen Gegenangriff starten, muss sie besser sein als der Angreifer, wenn es ihr aber gelingt, verursacht sie ihrerseits Schaden. Das gilt natürlich nur für den Nahkampf. Bei Schusswechseln ist Ausweichen schwieriger. Gelingt eine entsprechende Probe, erhält der Angreifer einen Strafwürfel, kann aber immer noch treffen. Überhaupt ist der Einsatz von Bonus- und Strafwürfeln vorbildlich. Es wird eine Schwierigkeitsstufe für den Angriff festgelegt. Alle verändernden Umstände wie ein Kampf gegen eine Überzahl Gegner oder eine Sichtbeschränkung eines der Kämpfer wird über Bonus- und Maluswürfel geregelt. Keine Tabellen mit Zahlen für Kampfmodifikatoren mehr.

Noch besser gefällt es mir, wie der Wahnsinn in Cthulhu 7 geregelt wird. Immer noch gibt es die gewohnten drei Stufen: kurzfristiger Wahnsinn ("Geistige Umnachtung"), mittelfristiger Wahnsinn ("Geistesgestörtheit") und dauerhaft irre ("Völliger Wahnsinn"). Die Detailregelungen sind aber wesentlich spielbarer und eingängiger geworden. Der Wahnsinn läuft in zwei Stufen ab: Der erste Anfall dauert nur 1W10 Runden, in denen der Spielleiter die Spielfigur kurz übernimmt. Eine sinnvolle Tabelle gibt Tipps, was der SL mit der Figur machen kann. Ein Anfall kann länger dauern, wird dann aber vom SL zusammengefasst. Der SC könnte z. B. ohne Erinnerung in einer Gasse aufwachen oder er flieht panisch. Danach folgt eine Phase unterschwelligen Wahnsinns, in der die Figur wieder vom Spieler übernommen werden und relativ normal handeln kann. Verliert sie noch einmal geistige Stabilität (und wenn es nur ein Punkt ist), erleidet sie einen erneuten Anfall. Der unterschwellige Wahnsinn hat weitere vom Spielleiter festgelegte Auswirkungen. Der Investigator sollte jedenfalls in der nächsten Zeit seine Sinne hinterfragen (oder nicht, wenn es positives Chaos am Spieltisch verursacht). Bei jedem Anfall, egal ob kurz oder lang, kann der Spielleiter einen Fakt auf dem Charakterbogen des SC hinzufügen: einen starren Blick etwa oder eine Phobie, ein vergrämter Verwandter o. ä. Das klingt für mich wesentlich spielbarer als die Wahnsinnsregeln in den alten Editionen, ohne allerdings wesentliche Regelelemente zu ändern. Ich werde erleben, wie es sich am Spieltisch anfühlt.

Es gibt noch mehr, z. B. Kampfmanöver, die einfach und sinnvoll umgesetzt werden. Ich werde bestimmt weitere Details finden. Noch habe ich das Buch nicht komplett durch. Ich bin z. B. sehr gespannt, wie sich die Zauberei geändert hat. Die Verfolgungsregeln habe ich mir bisher gespart. Sie sind zwanzig Seiten lang. Das erscheint mir einfach zu viel, auch wenn Verfolgungen in einem Horrorspiel eine wichtige Rolle einnehmen.

Der Hauptvorteil von den bisherigen Editionen war die Einfachheit. Gib einem totalen Anfänger einen ausgefüllten Charakterbogen, und er weiß in zwei Minuten, was er tun muss. Prozente sind einfach zu begreifen. Hier sehe ich bisher den einzigen Nachteil. Durch die drei Zahlenwerte bei jedem Eintrag erhält der Bogen eine neue Komplexität - zwar überschaubar, aber dennoch ein klein wenig komplexer.

Mal gucken, was mein erster Spieltest mit vollständigen Regeln so bringt. Insgesamt könnte Cthulhu 7 für mich jedenfalls den neuen Platz als Das beste Rollenspiel der Welt (TM) einnehmen, was bisher die alten Editionen taten.

05.04.16

[Rezi] Finsterland - Compendium der Curiositäten


Manchmal gibt es gute Gründe, Geld für etwas auszugeben, das man auch kostenlos haben kann.

Liest man den Klappentext, scheint das "Compendium der Curiositäten" für "Finsterland" kein sonderlich beeindruckendes Buch zu sein. Es sammelt Material, das auf der Webseite des Spiels kostenlos zur Verfügung steht und ergänzt es um weitere Texte. Ein Klick auf den Download-Bereich zeigt aber schnell, dass man eine stattliche Menge an Material bekommen wird. Jetzt muss sich nur noch zeigen, ob die Qualität auch eines Buches würdig ist.

Die Beschreibung der Hauptstadt des Finsterlandes, Alexanderstadt, ist das erste lange Kapitel. Wenn ich sehe, dass eine Stadtbeschreibung eines eher biederen Rollenspiels (in das ich Finsterland einordnen würde, auch wenn es sich liebevoll darum bemüht, zu den coolen Kids zu gehören) ca. 75 Seiten einnimmt, lässt mich das Schlimmes ahnen. Ich habe einfach schon zu viele langweilige Stadtbeschreibungen gelesen, die mir Allgemeinwissen als Innovation verkaufen wollten. Doch Finsterland zeigt ein weiteres Mal eindrucksvoll, dass hier gute Leute am Werk sind, und straft meine Befürchtungen Lügen. Es wird nur ein grober Überblick gegeben - keine lexikalischen Einträge mit langweiligen Daten, die ich mir selbst zusammenreimen kann - und steigt dann gleich in die Details der Stadtviertel ein. Für jedes Stadtviertel werden besondere Orte beschrieben, die vor Ideen überquellen. Eine Liste mit Abenteuerideen schließt jeden Abschnitt zusammen mit einer Übersichtskarte ab.

Es geht weiter mit der Spielwelt. Kleine Kapitel über Geld, die Vorstädte, die Leoniden, Landwirtschaft u. a. schließen direkt an die Stadtbeschreibung an. Wieder gibt es Listen mit Abenteuerideen.

Auch die Spieler sollen nicht zu kurz kommen: 26 Seiten bieten Beispielcharaktere, neue Manöver, Hintergründe und Organisationen. Sogar ein Baukasten für eigene Organisationen ist vorhanden. Falls die Gruppe ein Fan von Felidae, Katzulhu oder Ulthar ist, kann sie sogar mit speziell dafür konzipierten Regeln Katzen als Spielercharaktere einsetzen. Eine witzige Idee, wie ich finde.

Die anschließenden Texte richten sich an den Spielleiter: Robin Laws' Spielertypen dürfen anscheinend in keinem aktuellen Rollenspiel fehlen. Ich persönlich finde die Unterteilung nicht so erhellend, wie offenbar allgemein angenommen wird, aber das ändert nichts daran, dass sie interessanten Lesestoff abgeben. Großartig finde ich eine Liste mit großen, evtl. kampagnenverändernden Ereignissen, die vom Spielleiter ins Spiel gebracht werden können. Es geht hier nicht um Kleinigkeiten: eine Alieninvasion, ein Krieg oder uralte Technologie sind die Themen. Ich würde zu gern eine laufende Finsterland-Kampagne unvorbereitet mit einer Alieninvasion aufpeppen ... Die Elemente zeigen jedenfalls, dass man nicht "brav" spielen muss, wenn man Steampunk, Magie und ein fiktives Europa mischt. Ein paar neue Regeln wie Charakterelemente, Krankheiten oder Wahnsinn ergänzen die SL-Kost.

Neue Gegner gibt es auch: Dämonen, die sich von Schallwellen (z. B. Schreckens- und Schmerzenschreien) ernähren, sind eine abgefahrene Idee. Verschiedene Monströsitäten des Krieges, die Aliens aus den Ereignissen und so genannte Totmacher sind die anderen neuen Gegner. Alles zusammen eine schöne Ansammlung an neuen Ideen.

Der Kern des Buches ist für mich der letzte große Abschnitt: Abenteuer. Zweiunddreißig kleine Abenteuer plus drei Kampagnen findet der willige Spielleiter auf den letzten ca. 60 Seiten. Manche mögen die Abenteuer nur als Skizzen bezeichnen, ein improvisationswilliger Spielleiter sollte aber mit nur wenig Vorbereitung in der Lage sein, damit einen spannenden Spielabend zu füllen. Der Aufbau ist immer gleich: Kurzinhalt, fünf Szenen, Charaktere, Zusatzinformationen. Der Kurzinhalt liefert eine Zusammenfassung der Handlung. Die Szenen sind nichts weiter als Überschriften: Die Befragung, das verfallene Haus, die Fleischhauerei, ... Zusammen mit der Zusammenfassung sollte es den meisten Spielleitern gelingen, zur Not auch ohne Vorbereitung den Spielabend zu improvisieren. Die wichtigsten NSCs werden mit Namen und zwei oder drei Zeilen Beschreibung aufgelistet. Die Zusatzinformationen beschäftigen sich entweder mit der Umgebung, z. B. dem Stadtteil, ni dem alles spielt, oder mit anderen Themen wie Plotideen oder speziellen Herausforderungen. Die Kampagnen sind inhaltlich zusammenhängende Abenteuer in demselben Muster. Manchem mag dieser Aufbau zu wenig sein, ich finde ihn aber sehr angenehm. Der Abenteuertext ist nur ein bis zwei Seiten lang, bietet aber genug Hintergrund, dass es über "Da Monster - mach' Monster tot!" hinausgeht.

Das "Compendium der Curiositäten" bringt eine Menge Lesespaß zusammen mit einer der größten Ansammlung an Abenteuermöglichkeiten und -ideen, die ich seit langem in einem Rollenspielbuch gesehen habe. Wer das Grundregelwerk von "Finsterland" mochte, wird eine Menge Spaß an dem Buch haben. Die Texte sind größtenteils auch über die Webseite von Finsterland zu bekommen, doch ist das stabile Softcover eine kostengünstige Alternative für Leute, die ihr Rollenspielmaterial gern gedruckt vorliegen haben.

Finsterland: Compendium der Curiositäten
Quellenbuch
Georg Pils, Gregor Eisenwort, Anette Meister, Michael Prammer
Finsterland-Verlag 2014
208 S., Softcover, deutsch
Preis: 25 €