10.06.16

[Rezi] UltraQuest

„UltraQuest“ wird angekündigt als Rollenbrettspiel und als dicke Box mit schickem, old-schooligem Cover verkauft. Der Preis ist für ein Produkt, das anscheinend für Rollenspielneulinge produziert wurde, mit 42 Euro recht hoch. Doch – so viel sei vorab verraten – bedenkt man, was geboten wird, ist der Preis angemessen.

Was mag ein Rollenbrettspiel sein? Die Box enthält einiges an Material: Ein Heft mit Spielregeln (schlanke 16 Seiten), eine beidseitig bedruckte A3-Weltkarte auf stabilem Papier, ein Ereignisbuch mit 82 Seiten, Pappmarker zum Ausschneiden, ein dicker Stapel mit kleinen Charakterbögen, ausreichend Würfel und fünf Halmapöppel. Grafisch sind die Materialien hübsch aufbereitet, auch wenn sie vermutlich niemanden animieren werden, sich die Box nur wegen des Artworks zu kaufen. Zeichnungen werden sparsam aber gut platziert eingesetzt. Kleine Grafiken unterstützen das gelungene Layout mit Seitenrändern oder Symbolen neben den Überschriften. Das Cover zeigt eine typische Abenteurergruppe. Der Halbling auf der Riesenheuschrecke kann wirklich so gespielt werden.

Ein paar Schwachstellen hat das Material aber doch. Die Box ist nicht so stabil, wie ich es mir wünschen würde, funktioniert aber. Außerdem passen die Bücher passgenau hinein. Es ist kein Platz für die Finger, um die Bücher heraus zu holen, ohne die Schachtel zu kippen. Das ist der einzige Kritikpunkt, der mich ärgert. Alles andere sind Kleinigkeiten. Die Pappmarker hätte ich gern etwas dicker und vor allem vorgestanzt gehabt. Es sind nur zwei kleine Bögen, die man in überschaubarer Zeit ausschneiden kann, dennoch würde ich gern auf eine Schere verzichten. Die Cover der Hefte sind außerdem zu dünn, als dass sie vernünftig auf den anderen Materialen liegen würden.

Doch zum Spiel selbst: Kennt ihr diese einfachen, aber unterhaltsamen Computerrollenspiele, in denen man eine Figur oder Heldengruppe über eine Karte bewegt und in jedem Feld eine zufällige Begegnung abarbeiten muss? Bei den Zufallsbegegnungen stößt man irgendwann auf Questen oder kleine Dungeons und kann so etwas zielgerichteter reisen. Meist sind das Sammeln von Schätzen und der Aufstieg der Figuren die eigentlichen Ziele des Spiels. Genau so etwas, nur als Gruppenaktivität mit Würfeln und Papier, ist „UltraQuest“. Der Spieler, der zuerst 100 Punkte Ehre gesammelt hat oder einen legendären Gegenstand zum König bringt, gewinnt.
Die Regeln passen auf zehn Seiten (plus fünf Seiten mit Sonderfähigkeiten für die Charakterklassen). Jeder Spieler erschafft vier Helden. Es gibt verschiedene Charakterbögen für die zur Verfügung stehenden Rassen. Mensch, Zwerg, Elf, … sogar eine Halbente. Da merkt man, woher zumindest ein Teil der Inspiration kommt. Die Grundattribute Bewegung, Stärke, Geschick und Intelligenz sind damit schon recht gut vorgezeichnet. Dann wählt der Spieler für jede Figur eine Klasse und passt sie entsprechend an. Er errechnet auch die Fernkampf- und Nahkampfboni. Anschließend füllt er den Gruppenbogen aus, wo zum Beispiel die kombinierte Kampfkraft der Gruppe steht. Abschließend legt er die Bögen nebeneinander vor sich auf den Tisch, womit er festlegt, in welcher Reihenfolge sie umherziehen. Kämpfer sollten nach vorn.

Kämpfe sind einfach. Man würfelt ein paar W6, zählt bestimmte Kampfkraftwerte dazu und hat ein Ergebnis, das man mit dem Gegner vergleicht, der eine gleichgeartete Probe würfelt. Die Differenz ist der Schaden. Rüstung wird abgezogen und der Schaden gleichmäßig auf die Gruppe verteilt. Beim zweiten Schadenspunkt ist die Figur tot. Ein Spieler kann neue Abenteurer anwerben, wenn die alten wegsterben. Ist die Gruppe ausgelöscht, kann er mit einer neuen von vorn anfangen.

Das Spiel funktioniert so: Jeder Halmapöppel steht für eine Gruppe. Man beginnt in der Stadt und alle stellen ihre Pöppel dort auf die Karte. Ein Spieler beginnt und macht entweder eine Sonderaktion, die zu seinem Standort passt (einkaufen, verkaufen, Audienz beim König, …) oder bewegt seine Figur in eine angrenzende Region, wo er eine Begegnung hat. Dazu würfelt er 1W100. Der Spieler links von ihm hat das Ereignisbuch und schlägt bei der jeweiligen Region unter der gewürfelten Zahl nach, welche Art Begegnung die Gruppe hat. Das kann alles Mögliche sein: ein Kampf, die Gruppe findet etwas, wird überfallen o. ä. Oft ist die Begegnung mit einer kleinen Entscheidung gekoppelt („Möchtet ihr die Flasche öffnen?“). Man kann Questen finden, kann oder muss kämpfen und Ruhm und Ehre erlangen. Besonders gelungen finde ich die Dungeons, in die die Gruppe unter Umständen gehen kann. Es gibt drei Schwierigkeitsstufen. Der erste Raum wird ausgewürfelt, genau wie die folgenden, wobei der Würfelwurf abhängig von den Entscheidungen des Spielers modifiziert wird.

Das Spielprinzip ist wirklich interessant. Es gibt immer genug Entscheidungen zu treffen und die Kämpfe dürften trotz ihrer Kürze spannend sein. Die Anzahl an Begegnungen ist groß genug, dass es nicht so schnell zu Wiederholungen kommen sollte. Vermutlich eignet sich das Spielprinzip hervorragend zum Anfüttern. Der Vorleser ist ja so eine Art Spielleiter, und ich könnte mir gut vorstellen, dass die Begegnungen ausgeschmückt werden und so zu kleinen Miniabenteuern werden. Auf jeden Fall kann ein erfahrener Rollenspieler die Begegnungen entsprechend anpassen.

Fazit: Das Spielprinzip ist neu, kurzweilig und leicht zu erlernen. Jeder Spieler führt eine kleine Gruppe mit Abenteurern durch eine einfache Sandbox, um Ehre und Gold zu sammeln. Das Material ist hübsch, übersichtlich und von kleinen Einschränkungen abgesehen stabil. Es gibt massenweise Begegnungen, die ein spannendes Spielerlebnis ermöglichen sollten. Der Einstieg ist auch für Anfänger leicht, und erfahrene Rollenspieler können die Begegnungen entweder ausschmücken oder das Spiel als einfache Abwechslung spielen, wie es ist. Ich gratuliere Flying Games zu dem gelungenen Spielprinzip.

UltraQuest – Land der 1000 Abenteuer
Grundregelwerk
Markus Still
Flying Games 2016
Box mit zwei Büchern, Würfeln u. a., deutsch
Preis: 42 €

[Die Rezension wurde für den Ringboten geschrieben.]

2 Kommentare:

  1. Ich hab zwei kurze Runden hinter mir und sehr angetan!

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  2. An der Box hab ich entgegen dem Autor nix auszusetzen. Der Spielplan ist mir zu dünn. Aber das ist das einzige Manko. Ich spiele aktuell mit meinem Sohn (10) und das Spiel taugt uns perfekt. Es ist so genial, dass er seine geliebten Smartphone Spiele (CoC, Minecraft etc) vergißt und selbst einen Fernsehabend lieber zum Spieleabend umfunktioniert. Selbst lautes Vorlesen macht nun Spaß.

    Ich selber habe die Ehre im Namen von Flying Games Ultra Quest auf dem Tabletops United 2016 in Schwabhausen http://ttu.weiss-blaue-strategen.de/ vorstellen zu dürfen.

    Das Spiel ist echt der Hammer!

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