27.08.16

[Rezi] Manifest Destiny 1: Flora und Fauna

„Im Jahr 1804 begeben sich Captain Meriwether Lewis und Second Lieutenant William Clark auf eine Expedition in die unerforschten Gebiete von Amerika.“ So beginnt der Klappentext von Manifest Destiny 1. Und so beginnt die Geschichte um zwei Freunde auf einem Schiff voller Verbrecher, die in eine unbekannte Wildnis aufbrechen, um dort Monster, Horror und Abenteuer zu finden

Die Geschichte der spannenden Expedition beruht auf Tatsachen. Es gab sie wirklich. Doch wie es scheint, wurden aus den offiziellen Berichten einige Begegnungen und Begebenheiten herausgehalten. Wir haben nun das Glück die komplette Geschichte in Form dieses Fantasy-Horror-Western-Comics zu erfahren.

Der Band benötigt nur wenige Seiten genügen, um dem Leser die Stimmung und den Hintergrund zu vermitteln. Die Zeichnungen unterstützen die Geschichte dabei hervorragend. Die kräftigen Farben und geschickt gewählten Perspektiven vermitteln mehr als es nur die Worte könnten – ganz so wie es sich für einen guten Comic gehört. Die Herangehensweise an die Erzählung erinnert an gute Hollywoodfilme. Die Strukturen kommen einem zwar bekannt vor, doch da die Geschichte die Klischees immer wieder geschickt aufbricht und die Strukturen gut einsetzt, stört das nicht im Mindesten.

Es ist die klassische Expeditionsgeschichte: Eine Gruppe von Leuten muss sich in einer fremden und gefährlichen Umgebung zurechtfinden. Die Gruppe ist ein gemischter Haufen. Die meisten sind Verbrecher und Halsabschneider, die sich mit der Expedition vom Gefängnis freikaufen wollen. Lewis und Clark scheinen die einzigen untadeligen Personen zu sein. Sie müssen die bunte Truppe unter Kontrolle halten, auch wenn Pläne von Meuterei geschmiedet werden und der psychische Druck nach und nach immer größer wird, wenn ein Mannschaftsmitglied nach dem nächsten stirbt. Zum Sterben gibt es eine Menge Gelegenheit. Zunächst begegnen sie einem Teil der namensgebenden Fauna, der ihnen nachstellt. Und wenn sie das scheinbar rettende Fort erreichen, das ihr Zwischenziel ist, lauert dort die nächste Gefahr. Die Flora, die sie dort bedroht, ist anders, als es die meisten Leser erwarten dürften.

Der Mix aus guten Charakteren (auch wenn ich Lewis und Clark aus irgendeinem Grund nicht auseinanderhalten kann), Konflikten innerhalb der Mannschaft und gefährlichen Begegnungen mit den Einwohnern eines riesigen fremden Landes ist unterhaltsam und jederzeit spannend. Die Gefahren, die von der Fremdartigkeit einer Welt ausgehen, die die Forscher das erste Mal betreten, sind anschaulich dargestellt. Nur die Auflösung der beiden Konfliktherde ist enttäuschend. Zum Glück, so viel kann ich jetzt schon verraten, setzt sich diese Tendenz nicht im zweiten Band fort.

Fazit: Eine Forschungsreise in den fremden, riesigen Kontinent Amerika, die zum reinen Überlebenskampf wird. Das bietet eine Menge Potenzial. Die Figuren sind gut, die Geschichte kurzweilig und gut erzählt, die Zeichnungen sind toll und passen zur Story – was will man mehr … Die Auflösung könnte etwas weniger abrupt sein, doch davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Wer spannende Abenteuercomics mit einem ordentlichen Schuss Horror und Phantastik mag, macht mit Manifest Destiny nichts falsch.

Manifest Destiny 1: Flora und Fauna
Comic
Chris Dingess, Matthew Roberts, Owen Gieni
Cross Cult 2016
ISBN: 978-3-86425-826-8
118 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 20,00

[Diese Rezi wurde für den Ringboten verfasst.]

25.08.16

Fundamentaler Malmsturm - for free, baby!

Die Spatzen pfeifen es bereits von den Dächern. Malmsturm - Die Fundamente ist im Webshop vom Uhrwerk-Verlag erhältlich. Mein Beitrag zu dem großartigen - wunderhübschen und toll designten und geschriebenen - Buch ist fast schon peinlich gering. Er bestand mehr oder weniger aus: "Klar!", als mir die Frage gestellt wurde, ob ich etwas dagegen hätte, wenn meine Spielleitertexte aus der ersten Edition gekürzt übernommen würden. Ich freue mich trotzdem, im Buch zu stehen.

Die Papierversion halte ich noch nicht in den Händen, konnte aber schon einen Blick in die PDFs werfen. Ich bin beeindruckt. Wer selbst einen Blick riskieren will: Es gibt eine kostenlose Downloadversion. Sie ist zwar nur schwarzweiß, aber komplett.

Download: Malmsturm - Die Fundamente (free)
Mehr Infos (einschl. Links zum Kaufen): Hier



23.08.16

DCC 2016: Dämonen, Mutanten und viel Spaß

Die Deutsche Cthulhu-Con war wie üblich viel zu schnell vorbei. Leider konnte ich erst am Freitag anreisen, doch immerhin war ich nach einer ereignislosen Fahrt, während der ich mich mit dem aktuellen Wild-Cards-Hörbuch gut unterhielt, bereits am späten Nachmittag da. Wie erwartet, war es gar nicht so einfach, das Zimmer zu beziehen, denn erstmal mussten einige Leute begrüßt werden, die sich auf dem Hof aufhielten, als ich ankam. Da Rollenspieler nun mal sind, wie sie sind, mündete das natürlich sofort in ausschweifende Gespräche. Man sieht sich einfach viel zu selten.

Dieses Jahr hatte ich mich relativ spontan zur Con angemeldet und das große Glück noch einen Platz zu bekommen. Ich war total unvorbereitet, hatte ungewohnterweise keine Runde angemeldet, die ich leiten wollte, und mich auch nicht über das Online-System für irgendetwas als Spieler eingetragen. Zum Glück hatte ich mich mit Daniel von System Matters verabredet und wenigstens grobe Pläne geschmiedet.

Für den Abend fanden wir ein paar Leute, die mit uns Shadow of the Demon Lord ausprobieren wollten. Das Spiel ist toll. Stimmung und Welt erinnern stark an Warhammer Fantasy, was wohl auch von Robert Schwalb, dem Autoren, so beabsichtigt ist. Die Regeln verfolgen das Ziel, einen Einstieg zu erleichtern, aber trotzdem Optionen zu bieten. Das wird über ein hervorragendes Stufensystem gelöst. Zunächst erwürfelt man eine Figur der 0. Stufe. Alles ist kompletter Zufall (wenn man will). Man wählt nur die Rasse und wenig später hat man einen fertigen Charakter. Ich selbst war ein menschlicher Religionswissenschaftler. Man kann aber auch Goblins, Uhrwerkautomaten, Wechselbälger u. a. spielen. Steigt man in die erste Stufe auf (norm. erfolgt nach jedem Spielabend ein Stufenaufstieg), wählt man aus vier Charakterklassen eine aus: Magier. Schurke, Kämpfer und Kleriker. Ja, das kommt uns bekannt vor und das ist auch Absicht. Zu jeder Klasse gehören ein paar Punkte, die den Charakterbogen verändern. Grundattribute erhöhen sich, Fertigkeiten und Professionen kommen hinzu, evtl. auch Zaubersprüche. Die nächste Stufe wählt man unter anderen Charakterklassen aus - jede Kombination ist erlaubt. Je höher die Stufe, desto größer die Auswahl und natürlich können Klassen mehrfach gewählt werden, wenn auch nicht in jeder Stufe jede Klasse. Die jeweilige Auswahlliste ist also übersichtlich, bietet aber dennoch immer neue Optionen.

Das Regelsystem selbst ist genauso einfach: Ein paar Attribute und daraus abgeleitete Eigenschaften, eine oder mehrere Professionen und einige wenige andere Kleinigkeiten, mehr ist nicht nötig. Gewürfelt wird 1W20 + Bonus/Malus abhängig vom passenden Attribut + Situationsmodifikatoren wie Sonderfähigkeiten u. a. Gewürfelt wird normalerweise gegen Mindestwurf 10 oder die Rüstung des Gegners. Je nach Situation bekommt man einen oder mehrere Bonus- oder Maluswürfel. Das sind W6, die gleichzeitig mit dem W20 geworfen werden. Nur der höchste davon wird gezählt und entweder zum W20 hinzugezählt oder abgezogen.

Das Abenteuer war unterhaltsam. Wir spielten The God Below, eines von den kurzen Abenteuern, die man für schmales Geld als PDF erstehen kann. Die Gruppe war ebenfalls witzig. Insgesamt war das eine tolle Runde. Würde der System-Matters-Verlag nicht gerade an einer Übersetzung arbeiten, die Anfang nächsten Jahres erscheinen soll, wäre ich sofort losgelaufen und hätte mir das Regelbuch gekauft.

Am nächsten Tag veranstaltete Ralf Sandfuchs einen Workshop zum Thema Weltendesign. Er zeigte uns eine kleine Methode mit geführtem Brainstorming, die schnell zu einem ansehnlichen Ergebnis führt. Wir bildeten drei Dreiergruppen und erschufen wahrhaftig interessante Welten. Ob ich in einer von denen wirklich spielen wollen würde (einschließlich unserer eigener), weiß ich nicht genau, aber gefallen haben mir alle.

Anschließend erzählte der System-Matters-Verlag, woran er gerade arbeitete und wann er hofft, die jeweiligen Produkte zu veröffentlichen. Für die Messe ist ein kleines, sehr spannendes Indie-System namens Kagematsu geplant. Es kurz zu beschreiben, ist schwer, aber selbst wenn es nicht für jeden geeignet sein dürfte, liefert es ein tolles, ungewöhnliches Design um eine Gruppe Frauen, die einen Samurai davon überzeugen will, ihr Dorf zu retten. Dungeon World soll kommen, ebenso wie das erwähnte Shadow of the Demon Lord. Stefan Droste arbeitet an einem spannenden historischen Rollenspiel nach Powered-by-the-Apocalypse-Regeln mit dem Titel Mosaic und Ralf Sandfuchs an Bäronomicon, einem Plüschtierrollenspiel - beides vermutlich Arbeitstitel. Man darf wirklich gespannt sein.

Ebenfalls angekündigt haben wir ein Projekt, an dem Daniel und ich schon lange herumdoktorn. Der Arbeitstitel lautet Abenteuer gestalten. Es wird ein Buch über das Abenteuerdesign mit einem Überblick über den aktuellen Stand dieser Tätigkeit (ich möchte nicht sagen: Kunst), wird viele verschiedene Techniken erläutern und auf die verschiedenen Genre und Stile eingehen. Die Arbeit dauert noch an und vor nächstem Jahr, ist nicht mit einem Ergebnis zu rechnen. Ich habe mich widerwillig überreden lassen, ein Facebooklifevideo aufzunehmen, in dem Stefan und ich über unsere jeweiligen Projekte sprechen. Man mag mir meinen Auftritt verzeihen, ich übe noch :-)

Statt Spielrunde beschloss ich am Nachmittag an Frank Hellers Rückblick "30 Jahre Cthulhu in Deutschland" teilzunehmen. Wie erwartet, war mir die Veranstaltung etwas zu lang - sie dauerte immerhin drei Stunden. Aber trotz der Länge war sie sehr unterhaltsam mit vielen Anekdoten und Daran-erinnere-ich-mich-gut-Momenten.

Abends war eigentlich Table Quiz aber in Ermanglung eines anderen Termins, traf ich mich stattdessen mit ein paar Freunden, um The Museum at the End of Time auszuprobieren. Das Abenteuer, fertige Charaktere und weitere Hintergrundinfos hat Greifenklaue verlinkt. Es handelt sich dabei um das Testabenteuer des demnächst erscheinenden Rollenspiels Mutant Crawl Classics. Es baut direkt auf Dungeon Crawl Classics auf und ist damit kompatibel, verlegt die Handlung aber eine postapokalyptische Welt voller Mutanten und künstlicher Intelligenzen. Wir hatten einen unglaublichen Spaß. Eine der Figuren wurde in ein Huhn verwandelt, das nach Curry roch, und einmal skandierte die Gruppe "Drück den Knopf! Drück den Knopf!". Das Spiel nimmt sich selbst durchaus ernst, liefert aber alles für ausgelassenen Spaß - genau wie Dungeon Crawl Classics selbst. Das Abenteuer gehört zum Besten, was ich bisher leiten durfte. Wir waren uns einig: Es ist ein Bisschen wie Numenera, nur cool (was aber nicht die tolle Numenerabox herabwürdigen soll, die seit ein paar Tagen auf meinem Lesestapel liegt). Das Abenteuer hat mir so gefallen, dass ich es gleich am nächsten Tag für die ADI angemeldet habe. Wir spielten ziemlich genau vier Stunden bis Mitternacht, quatschten noch eine Weile und gingen relativ pünktlich ins Bett.

Damit war die Con auch schon wieder fast vorbei. Die Orga war so hervorragend wie immer. Einmal kam es kurzzeitig zu einem Kaffeemangel, der jedoch schnell behoben wurde, bevor Panik ausbrechen konnte. Die Truppe vom CONglomerat hatte sich dieses Jahr mit der AnRUFung zusammengetan. Offenbar lief das hervorragend, ich jedenfalls bemerkte nichts, das nicht reibungslos funktioniert hätte. Danke, Leute, für die viele Arbeit, die ihr euch gemacht habt. Es war toll.

Am Sonntag gab es noch den üblichen Ausblick auf Cthulhu von Heiko Gill - in seiner ganz eigenen Art witzig vorgetragen - und dann blieb nur noch, sich zu verabschieden. Meine Rückfahrt verlief genauso problemlos wie die Hinfahrt und am Nachmittag freute sich mein müdes Haupt auf das Sofa.