27.09.16

ADI 2016: Dreimal würfeln und dann war's vorbei

So kam es uns zumindest vor. Nicht nur erschien mir das Wochenende kürzer als sonst, die Auf-den-Inseln-Con kam dieses Jahr auch irgendwie plötzlicher als sonst. Vielleicht lag es an privatem Kram, vielleicht an etwas anderem, jedenfalls wurde mir auf einmal bewusst, dass ich meine angemeldeten Runden endlich mal vorbereiten müsste. Auf der Webseite easy-con.org wurde fast zeitgleich die Möglichkeit scharf geschaltet, sich als Spieler in Runden einzutragen. Gesagt, getan, und die Vorfreude konnte beginnen.

Seitdem ich in Hessen wohne, ist die Nordseeküste viel zu weit weg. Netterweise begleitete mich ein Freund im Zug, sodass es nicht so langweilig wurde. Wegen der fast schon üblichen Zugverspätung kamen wir gegen halb sieben in Otterndorf an. Nach dem Abendessen und dem "großen Hallo" zur Begrüßung ging es auch schon in die erste Spielrunde. Sie hieß Blutroter Sand, wenn ich mich recht erinnere, und es war die Runde, in die ich mich online eingetragen hatte. Ich wollte aus drei Gründen unbedingt mitspielen: Erstens sollte das Abenteuer in der Welt von Space 1889 spielen, die ich spätestens seit meiner Mitarbeit am Band Die Venus cool finde. Zweitens wurde als Regelsystem Savage Worlds gewählt - immer eine gute Wahl - und drittens wollte ich dringend mal wieder bei dem Spielleiter in einer Runde sitzen. Das letzte Mal war viel zu lange her.

Die Charaktere wurden verteilt und keine Viertelstunde später befanden wir uns in einem fliegenden Schiff über der Marswüste in Richtung New Hannover, als wir plötzlich und unerwartet von mehreren Marsianerschiffen angegriffen wurden. Es war eine spannende und extrem lange Szene, die uns schließlich mitten in der Wüste umgeben von Wrackteilen und ohne Ausrüstung und Wasser zurückließ. Wie man sich denken kann, sollten wir nicht verdursten. Stattdessen fanden wir eine uralte Stätte mit unerwarteter Marstechnik. Das Abenteuer hat viel Spaß gemacht und mal wieder gezeigt, dass eine Geschichte nicht komplex sein muss, um Freude zu bringen.

In einer Pause unterhielten wir uns über das Regelsystem von Am Rande des Imperiums, wovon einige sehr begeistert waren. So kam ich spontan zu einer Spielrunde für Freitagnachmittag, denn netterweise lud mich der Spielleiter ein, mit ihm das neue System in seiner Runde auszuprobieren. Er akzeptierte mich als siebten Spieler, wofür ich mich nur bedanken kann.

Das Abenteuer hieß Bad Moon Rising. Soweit ich weiß, wurde es selbst entwickelt. Der Spielleiter hatte einen beeindruckenden Aufwand betrieben. Es gab fertige Charaktere auf speziell entworfenen Charakterbögen, jeweils mit einem Spielstein mit passendem Konterfei und einem Schildchen mit Namen und Bild, das wir vor uns aufstellen konnten. Eine riesige Karte von der Mondstation, in der das Abenteuer spielen sollte, lag ausgebreitet auf dem Billardtisch neben dem Spieltisch. Würfel, Marker und zwei Schnellhefter mit grundlegenden Infos und Ausrüstungswerten ergänzten das Spielmaterial. Ich kam mir mit meinen eigenen kleinen Vorbereitungen fast ein wenig mickrig vor.

Die Runde stand der ersten in nichts nach. Der Kontakt zu einer Mondforschungsstation war abgebrochen und wir verkörperten ein hastig zusammengestelltes Forscherteam, das der Sache auf den Grund gehen sollte. Es folgte eine geschickt inszenierte Sci-Fi-Horror-Geschichte, die nur etwas unter der Tatsache litt, dass durch mich die Gruppe recht groß war. Es war schwierig, die verschiedenen Meinungen der Spieler unter einen Hut zu bekommen und die Handlung am Laufen zu halten. Der Spielleiter meisterte das aber bravourös und hielt den Druck so gut er konnte aufrecht. Obwohl es zwischendrin zweifelhaft schien, dass wir rechtzeitig für die Abendrunden fertig werden würden, überzogen wir nur 10 Minuten.

Das System ist wirklich interessant. Natürlich war es für das Abenteuer angepasst, wir kamen also weder mit Jedis noch Lichtschwertern in Kontakt. Die Regeln arbeiten mit verschiedenen Sonderwürfeln. Prinzipiell gibt es positive und negative Würfel mit unterschiedlicher Seitenzahl und Farben. Darauf sind vier verschiedene Zeichen verteilt: Erfolg und Misserfolg, Vorteil und Bedrohung. Die Namen dafür sind offiziell anders, aber so passt es auch. Man würfelt abhängig von seinen Eigenschaften eine gewissen Anzahl an grünen und gelben Würfeln, die entweder nichts oder die positiven Symbole anzeigen. Dazu kommen die negativen Würfel. Standardmäßig sind das zwei lilafarbene Achtseiter. Für die eigentliche Probe schaufelt der Spielleiter abhängig von der Situation weitere Würfel zum Spieler: Ist es dunkel? Das gibt vielleicht einen schwarzen Nachteilwürfel. Insgesamt ist die Situation schwerer als Standard? Dann gibt es ein oder zwei zusätzliche lilafarbene Würfel oder ein Update auf einen höheren Schwierigkeitswürfel (lila wird zu rot). Ein Spieler unterstützt seinen Kumpel? Das gibt einen blauen Bonuswürfel ... Welche Gegebenheit, welchen Würfel bedeutet, habe ich noch nicht 100%ig durchblickt, aber das Prinzip ist klar. Der ganze Haufen wird am Ende gewürfelt. Die jeweiligen positiven und negativen Symbole gleichen sich gegenseitig aus und man guckt, was zum Schluss liegen bleibt. Davon abhängig wird es ein Erfolg oder Misserfolg, und es passieren positive oder negative Dinge. Das ist einfach und spannend. Und es ist nicht zu sehr "indie", was auch ein Vorteil ist.

Mit dem Ende der Runde war meine Zeit als Spieler vorbei. Ich selbst hatte zwei Abenteuer angemeldet. Freitagabend direkt im Anschluss spielten wir Clash of Kings, ein uraltes Zeitreiseabenteuer für Time Master. Ich hatte es schon mal auf einer Cthulhu-Con angeboten und damals viel Spaß gehabt. Time Master kennt ja kaum noch jemand. Die Spieler sind so genannte Time Corps, die in verschiedene Zeiten geschickt werden, um gegen die bösen Demoreaner zu kämpfen, vierarmige Aliens, die aus ganz eigenen Gründen die Vergangenheit ändern, um die Zukunft zu zerstören. Ein paar einfache und schlaue Zeitreiseregeln verhindern bestimmte Probleme, die immer wieder bei Zeitreisegeschichten auftauchen. Man kann zum Beispiel nicht in die Zukunft reisen, um sich selbst zu fragen, wie man das Abenteuer gelöst hat. Man kann auch nicht zweimal zur gleichen Zeit existieren. Die Spielregeln sind allerdings nicht so toll. Das Spiel stammt ursprünglich aus den 80er Jahren und das merkt man ihm auch an. Weil ich die Regeln nicht mag, habe ich OneDice benutzt, ein kleines universelles Regelwerk, das mit einem einzigen W6 auskommt und mir sehr gefällt. Es hat auch wunderbar funktioniert. Im Abenteuer müssen die SCs die Artussage retten. Sie reisen nach Tintagel, wo Uther Pendragon demnächst den kleinen Artus zeugen wird. Einige Demoreaner haben sich unter die Gefolgschaft von Pendragon gemischt und versuchen die Zeugung zu verhindern. Wir haben viel gelacht. Ich kann mich nur bei meinen engagierten Spielern bedanken.

Das Abschlussbierchen danach dauerte wieder mal zu lange und so kam ich später ins Bett als beabsichtigt. Mein alternder Körper beschwert sich jedes Jahr ein wenig mehr über den Schlafmangel. Aber was will man machen ... Am nächsten Tag kam jedenfalls meine zweiter Auftritt als Spielleiter. Wie kurz zuvor auf der DCC bot ich Das Museum am Ende der Zeit für Mutant Crawl Classics an. Wieder bekam jeder Spieler vier junge Stammeskrieger (und -innen) in die Hand, die auf der Schwelle zum Erwachsenwerden eine Woche in der Wildnis überleben und Artefakte der Alten finden sollten. Dafür ziehen sie in die Glow Waste, überleben (teilweise) einen Angriff einer Silanschlage und einer Art Pilzzombies und finden das besagte Museum. Die Gruppe hat eine Weile gebraucht, um mit dem Irrsinn klarzukommen, dem sie ausgesetzt wurden. Irgendwann machte es aber "klick" und sie waren voll drin. Dieses mal konnte ich auch mehr Figuren ins Jenseits befördern als auf der DCC. Ich hatte wieder großen Spaß und auch nicht den Eindruck, dass ich meine Spieler gelangweilt hätte. Wer Dungeon Crawl Classics kennt und Lust auf ein wenig verrückte Endzeit hat, dem sei das Abenteuer wärmstens ans Herz gelegt. Es liest sich witzig und spielt sich noch besser. Kostenlos ist es auch.

Der Samstagabend wurde von fast niemandem zum Rollenspielen genutzt. Man saß herum, quatschte, trank, spielte vielleicht ein Brettspiel und wartete auf das Table Quiz. Die beiden Organisatoren hatten wieder vierundzwanzig gemeine Fragen vorbereitet. Irgendwie gelang es unserem Tisch in der letzten Runde auf den zweiten Platz aufzuholen - allerdings ohne jede Chance gegen die Gewinner. Die ADI-Orga schenkte mir die allerletzte Midgard-1880-Box aus ihrem Fundus als Start für den Wiederaufbau meiner Sammlung. Das war eine rührende Geste und ein toller Abschluss für die Con. Danke, Leute.

Am Sonntag war Abreisetag. Wir hatten ein wenig Chaos mit den Zügen (meine Schuld, weil ich die Pläne nicht richtig gelesen hatte), was zwar nervig aber vielleicht dennoch Glück war. Wir kamen nämlich trotz einiger Zugverspätungen pünktlich zu Hause an. Wie jedes Jahr bleibt mir eigentlich nur, mich auf nächstes Jahr zu freuen. Möge uns die ADI noch lange erhalten bleiben.

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