20.03.22

[Rezension] The One Ring Starter Set

Gemeinsam mit der neuen Edition des Rollenspiels „The One Ring“ erschien ein Starter Set. Die Box soll nicht das Grundregelwerk ersetzen, sondern einen schnellen Einstieg mit dem Nötigsten ermöglichen, sodass eine Gruppe das Spiel mit nur wenig Vorbereitung ausprobieren kann. Dazu gibt es kurze Regeln, fertige Charaktere, Abenteuer und alles, was man sonst so braucht.

Die Box ist stabil, hübsch und prall gefüllt – prinzipiell liefert sie alles, was man sich für einen Einstieg wünscht. Das Bild auf dem Deckel vermittelt gut, was für farbige Illustrationen die Leserinnen und Leser erwarten können. Der Stil ist flächig, dunkel und stimmungsvoll, wenn auch nicht sonderlich detailliert. Mir gefällt er gut. Die farbigen Abbildungen heben sich allerdings von der übrigen Seitengestaltung ab – man könnte fast sagen: passen nicht dazu. Die Seiten sind ansonsten sandfarben mit Ornamenten als Seitenbegrenzungen. Die Farben bewegen sich zwischen Braun und Rot. Immer wieder lockern Zeichnungen das Seitenbild auf. Diese Zeichnungen passen zwar gut zum Stil der Seiten, sind für meinen Geschmack allerdings teilweise zu comicartig. Das Gesamtbild ist aber sehr stimmungsvoll. Die warmen Farbtöne kombiniert mit Zeichnungen bieten interessanterweise ein völlig anderes Bild als die düsteren Farbbilder.

Auf der Innenseite des Deckels sind ein paar wichtige regelrelevante Tabellen abgedruckt, was ich sehr praktisch finde. Man kann den Deckel hinstellen und den unteren Teil der Box liegend so einschieben, dass der Deckel aufrecht stehend gehalten wird. Dadurch entsteht eine Art rudimentärer Sichtschutz. Der untere Teil der Box zeigt auf der Innenseite eine Farbkarte des Shires (also des Auenlandes, ich bleibe mal bei den englischen Begriffen, weil die Box in englischer Sprache ist).

Kippt man den Inhalt aus, hat man einen ganzen Haufen an Material: drei Hefte (eine Beschreibung des Shires, kurze Regeln und ein Abenteuerheft mit fünf Abenteuern), eine wunderhübsche doppelseitige Faltkarte (das Shire auf der einen und Eriador auf der anderen Seite) und einen kompletten Satz aller benötigten Würfel (6W6 und 2W12). Außerdem befindet sich ein Satz Spielkarten in der Box, worauf Waffen abgebildet sind. Auf der Rückseite der Karten sind die Werte. Sechs quadratische Karten können benutzt werden, um anzuzeigen, welche Rolle einzelne Charaktere bei Wanderungen übernehmen (z. B. Scout oder Hunter) und welche Art des Angriffs sie durchführen (z. B. Rearward oder Defensive). Letztere dürften vor allem für Gruppen interessant sein, die anschließend auf die vollen Regeln umsteigen, denn die Regeln für die Karten kommen sonst nicht vor.

Das Regelheft (24 Seiten) erklärt uns, warum sich die Box auf das Shire konzentriert: Zum einen ist es der typische Startpunkt für Reisen in den Romanen und zum anderen eignet sich die Gegend besonders auch für Anfänger und jüngere Spieler, weil es recht friedlich in ihr zugeht. In kurzen Kapiteln werden alle wichtigen Regeln erklärt. Durch die Sondersymbole auf den Würfeln, muss man sich ein wenig eindenken, aber da die Charaktere nur ausgewählt und nicht extra erschaffen werden, sollte ein Einstieg wenig problematisch und auch für Anfänger gut zu meistern sein.

Für eine Probe würfelt man mit einen W12 und so vielen W6, wie der Fertigkeit des Charakters entspricht. Der W12 zeigt die Zahlen von 1 bis 10, eine Gandalf-Rune und ein Sauron-Zeichen. Wird die Gandalf-Rune gewürfelt, gelingt die Probe, egal, was die anderen Würfel zeigen. Das Sauron-Zeichen zählt null. Die Zahlen werden normal gezählt. Bei den W6 sind die Zahlen 1 bis 3 in Umrissen gezeichnet, die anderen Zahlen sind ausgefüllt. Die 6 zeigt zusätzlich ein Erfolgssymbol. Die gewürfelten Zahlen werden alle zusammengezählt. Jedes Erfolgssymbol hat besondere positive Auswirkungen im Spiel. Die Umrisszahlen sind nur dann wichtig, wenn der Charakter müde ist („weary“ ist ein Zustand, den man im Spiel bekommen kann), dann werden sie nicht in die Summe eingerechnet. Erreicht man mit der Summe eine Zielzahl, ist die Probe erfolgreich.

Die Charaktere haben drei Grundattribute (Strength, Heart und Wits), aus denen sich drei weitere Werte ableiten (Endurance, Hope und Parry). Außerdem gibt es den Attributen zugeordnete Fertigkeiten. Die Zielzahl für Proben wird durch das Attribut vorgegeben und liegt bei den fertigen Charakteren zwischen 11 und 16. Endurance ist die Ausdauer, sozusagen die Lebenspunkte der Figuren. Sterben ist im „Starter Set“ nicht vorgesehen, wenn der Wert aber eine bestimmte Schwelle unterschreitet, ist die Figur müde (also werden die Umrisszahlen auf den Würfeln nicht gezählt) und ohnmächtig, wenn der Wert auf null sinkt. „Hope“ steht für eine Art geistiger Ausdauer, ein Wert für Willenskraft und positiver Einstellung.

Das zweite Buch nennt sich einfach „The Shire“. Auf 52 Seiten beschreibt es besagte Gegend. In angenehm kurzen Abschnitten erfahren wir Grundlegendes über die verschiedenen Dörfer und Gegenden. Der Text wird immer wieder aufgelockert von Tabellen mit Gerüchten oder Begegnungen und Textkästen mit Abenteuerideen oder anderen interessanten Informationen. Es wird viel Wert auf Stimmung gelegt und darauf, ein Bild von den Gegenden zu zeichnen.

Das dritte Buch enthält die bereits erwähnten fünf Abenteuer. Bilbo Baggins ist von seiner spannenden Reise mit den Zwergen wiedergekehrt und versammelt eine kleine abenteuerlustige Gruppe von Hobbits um sich, die ihm dabei helfen sollen, sein Buch fertigzustellen. So muss die kleine Gruppe Unterlagen aus einem Museum klauen oder eine historische Kriegswaffe finden. Die Abenteuer sind eher darauf ausgerichtet, eine tolkiensche Stimmung zu erleben, als spannende Entscheidungen zu treffen oder echte Gefahren zu meistern. Informationen werden häufig über Proben gesammelt und sollte die Gruppe großes Pech haben und nicht genug Erfolge zusammenbringen, steht die Spielleitung ohne Hilfe da, wie es weitergehen soll. Auch wird den Charakteren die eine oder andere Handlungsweise über den Hinweis „Hobbits sind halt so“ aufgezwungen. So verlieren sie „Hope“, wenn sie einen Brief öffnen, den sie transportieren sollen, weil sie damit in die Privatsphäre eines anderen eindringen, andererseits wird zwei Absätze später davon ausgegangen, dass sie sich fremde Fahrräder „ausleihen“, um schneller vorwärtszukommen – ohne Bestrafung durch Hope-Abzug.

Mich holen die Abenteuer nicht ab. Die Gruppe wandert eine vorgegebene Straße ohne echte Gefahren entlang und erlebt die Welt in Unterhaltungen und Beschreibungen. Das Ziel ist hier eindeutig das „Erleben“ und weniger das „Überleben“. Dieses gesetzte Ziel wird aber gut umgesetzt, geht man also mit einer anderen Grundeinstellung an die Abenteuer heran, sind sie durchaus gelungen.

Fazit: Das „The One Ring Starter Set” ist eine Box mit viel Material, die einen guten Einblick in das Rollenspiel „The One Ring“ bietet und gut unterhält. Sie enthält einfache Grundregeln, fünf kleine Abenteuer und die Beschreibung des Auenlandes zusammen mit Würfeln, Waffenkarten, fertigen Charakteren und einer doppelseitigen Posterkarte. Die Regeln sind kurz und anschaulich beschrieben. Das Material ist hübsch und stabil. Die Abenteuer sind einfach und bieten viel „Szenerie“, wenn auch recht wenige handfeste Gefahren. Gruppen, die schon immer mal in die Rolle von ein paar Hobbits schlüpfen wollten, die auf „große Abenteuer“ ausziehen, bekommen alles, was sie dafür benötigen.

The One Ring Starter Set
Grundregelwerk und Abenteuer
James Michael Spahn, Francesco Nepitello, Lorenzo Perassi
Free League 2022
ISBN: 978-91-89143-48-7
108 S., Box, englisch
Preis: ca. 41 EUR

[Die Rezension wurde für den Ringboten erstellt. Der Verlag stellte mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.]

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