Die meisten Leute, die ich kenne, spielen lieber Fantasy, deshalb habe ich am Spieltisch nur wenig Kontakt zu dem Genre. Ich habe vor zwei oder drei Jahren Gamma World 4 ausprobiert (die Box, die von Wizards im Zuge von D&D4 veröffentlicht wurde). Ich mochte den Irrsinn und das Chaos. Ich fand die Idee toll, dass man ständig wechselnde Mutationen hat und so immer neue Fertigkeiten ausprobieren kann. (Das ist ja eine ähnliche Idee wie die Cypher aus Numenera oder The Strange. Wer nicht weiß, was das ist: Cypher sind sowas wie magische Einweggegenstände, die der Spielleiter großzügig verteilen soll, damit die Spieler immer neue Sachen zum Ausprobieren haben.) Später spielte ich ein Abenteuer für die Neuauflage von Metamorphosis Alpha. Das Abenteuer war ein gelungener kleiner Dungeon-Crawl mit Mutanten und umgebauten Motorrädern. Auch das hat Spaß gemacht.
So cool ich die ganze Sache aber finde, viel mehr als vereinzelte One-Shots würde ich wahrscheinlich nicht spielen wollen. Der Zugang ist relativ schwer, wenn einfach alles verrückt und veränderbar ist. Gamma World 4 lieferte tolle Kämpfe, aber der Hintergrund blieb künstlich, fühlte sich unecht an. Wen ich bekämpfte, war mir eigentlich egal und das Ziel, das wir verfolgten, weiß ich schon gar nicht mehr.
Es gibt eine große Diskrepant zwischen dem, was ich cool finde, wofür ich mir Bücher kaufe und was ich gern lese und dem, was ich gern spiele. Das ist ein Phänomen, das mir nicht das erste Mal auffällt. Lange Zeit dachte ich, ich würde meine Vorlieben kennen. Ich kam aus der Spielleiter-Ecke und dachte große Geschichten, tiefgehende Dramatik und detaillierte Hintergründe wären das A und O des Rollenspiels. Auch als Spieler bastelte ich Charaktere mit komplexen Geschichten und fehlerhaften Persönlichkeiten. Das war aber blanke Theorie und hatte, wie ich später zähneknirschend feststellen musste, überhaupt nichts mit dem zu tun, was ich als Spieler wirklich mochte. Das passierte mir nicht nur einmal. Später gab es andere Themen, bei denen mir es ähnlich ging. Meine anfängliche Begeisterung für Indie-Spiele ist so ein späteres Beispiel.
Diese Beobachtung hat tiefgreifende Auswirkungen auf unserer Hobby. Wenn mir das so geht, geht das anderen Leuten bestimmt auch manchmal so. Und wirklich: Wenn ich bestimmte Diskussionen verfolge und Leute beobachte, treffe ich immer wieder auf diese Diskrepanz zwischen "theoretisch gut" und "wirklich gut". Das klassische Beispiel sind vielleicht Hintergrundgeschichten für die Charaktere. Wie häufig brauchen wir die wirklich? Ich möchte alle Rollenspieler auffordern ihre eigenen Vorlieben zu hinterfragen und sich selbst am Spieltisch zu beobachten, denn die Auswirkungen mangelnder Selbsteinschätzung sind an vielen Stellen zu spüren:
- in Testspielen von Regeln,
- in Testspielen von Abenteuern,
- in Feedbackrunden,
- in Umfragen,
- in Rezensionen.
Ganz ehrlich frage ich mich häufig nach dem Wert der aufgelisteten Punkte. Natürlich ist ein Testspiel meist etwas Gutes, wird ihm aber zu viel Beachtung geschenkt oder wird das Feedback nicht richtig gedeutet, ist es reine Zeitverschwendung. Ich habe außerdem viele Feedbackrunden gesehen, die sich Meckerrunden entwickelten und der Gruppe eher schadeten als nützten. Über Umfragen in Foren brauchen wir gar nicht zu reden ...
Wie so häufig, kann meine Beobachtung nur ein Denkanstoß sein. Was haltet ihr denn davon? Ist euch dieses Phänomen auch schon mal über den Weg gelaufen oder habt ihr es vielleicht sogar bei euch selbst beobachtet?
Wie immer (oder zumindest zumeist) hast Du einen Punkt. Ich hab früher ja immer Dungeons, Kämpfe und Minis verachtet aufgrund meiner Rollenspielsozialisation, bis ich vor etwa 10 Jahren in einigen schlüsselerlebnissen kapiert habe, dass die gar nicht böse sind, sondern genau mein Ding. Ansonsten würde ich gen mehr DCC spielen, um zu sehen, ob es sich erschöpft bei dem ähnlich weirden Brettspiel Shadows of Brimstone kann ich momentan aber nicht genug bekommen.
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